24.05.2023
Sommermärchen: Strafverfahren gegen Sportfunktionäre ist fortzusetzen
Das Strafverfahren gegen drei ehemalige Sportfunktionäre wegen Steuerstraftaten im Zusammenhang mit der Fußball-WM 2006 ist fortzusetzen. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main entschieden und einen Einstellungsbeschluss der Vorinstanz aufgehoben. Anders als das Landgericht (LG) meine, stehe der Aburteilung der Angeklagten nicht das Doppelbestrafungsverbot entgegen. Das LG hatte dies angenommen, weil ein Strafverfahren in der Schweiz gegen die Angeklagten ebenfalls eingestellt worden war. Das OLG stellte nun klar, dass das schweizerische Verfahren nicht dieselbe Tat, sondern ein Vortatgeschehen betraf. Daher sei das deutsche Verfahren vom LG fortzusetzen.
Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten Hinterziehung beziehungsweise Beihilfe zur Hinterziehung von Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer für das Jahr 2006 vor. Die Angeklagten sollen bewirkt beziehungsweise daran mitgewirkt haben, dass in den genannten Steuererklärungen die Rückzahlung eines Privatdarlehens des Fußballers F. B. in Höhe von 6,7 Millionen Euro im Jahr 2005 zu Unrecht als Betriebsausgabe des DFB im Jahr 2006 ertrags- und steuermindernd verrechnet worden sei. Es sei fälschlich angegeben worden, dass es sich bei der Zahlung der 6,7 Millionen Euro des Organisationskomitees WM 2006 an die FIFA um eine Beteiligung des DFB an den Kosten einer FIFA-Gala 2006 gehandelt habe. Das Landgericht hatte die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen abgelehnt. Es fehle ein hinreichender Tatverdacht für die angeklagten Taten.
Auf die hiergegen von der Staatsanwaltschaft eingelegte sofortige Beschwerde hatte das OLG die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Verfahren vor dem LG Frankfurt am Main eröffnet. Es sah nach Würdigung des gesamten Akteninhalts einen hinreichenden Tatverdacht dafür, dass der im Rahmen des Betriebsausgabenabzugs geltend gemachte Bestimmungsgrund der Zahlung in Höhe von 6,7 Millionen Euro vom April 2005 des Organisationskomitees WM 2006 an die FIFA falsch gewesen sei. Die Zahlung habe tatsächlich nicht die Beteiligung an den Kosten der FIFA-Gala zum Gegenstand gehabt.
In der Schweiz hatte das dem Strafverfahren zugrunde liegende Gesamtgeschehen ebenfalls zu strafrechtlichen Ermittlungen geführt. Gegen die drei Angeklagten wurde dort wegen Betrugs beziehungsweise Gehilfenschaft zum Betrug Anklage erhoben. Die Verfahren wurden mit Beschluss vom 20.05.2021 eingestellt, da spätestens im Jahr 2020 Verfolgungsverjährung eingetreten sei.
Mit Beschluss vom 27.10.2022 hatte das LG nachfolgend das hiesige Strafverfahren eingestellt. Denn es handele sich bei den angeklagten Taten um dieselbe Tat im Sinne des Artikel 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens, die in der Schweiz angeklagt und hinsichtlich der das dortige Verfahren wegen Verfolgungsverjährung eingestellt worden sei.
Gegen diese Einstellungsentscheidung wendet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft, die vor dem OLG Erfolg hatte. Die Einstellungsentscheidung sei aufzuheben, beschloss dieses. Es liege kein Verfahrenshindernis vor. Insbesondere stehe der Aburteilung der Angeklagten nicht das Verbot der Doppelbestrafung entgegen. Mit dem Verbot solle erreicht werden, dass ein Beschuldigter wegen einer bestimmten Tat im prozessualen Sinne nicht mehrfach in verschiedenen Vertragsstaaten mit einem Strafverfahren überzogen werde. Die Verfahrenseinstellung im schweizerischen Strafverfahren betreffe aber nicht dieselbe Tat in diesem Sinne (Artikel 54 Schengener Durchführungsübereinkommen).
Beide Anklagen knüpften zwar an einen zusammenhängenden historischen Gesamtkomplex an. Die im hiesigen Verfahren streitigen Steuerstraftaten im Jahr 2007 bauten auf der im schweizerischen Verfahren zur Last gelegten Betrugstat im April 2005 auf. Es handele sich bei wertender Gesamtbetrachtung aber gerade nicht um einen Komplex "unlösbar miteinander verbundener Tatsachen", der die Annahme derselben Tat im Sinne des Artikel 54 rechtfertigen würde. Die Umstände im schweizerischen Verfahren stellten vielmehr das "Vortatgeschehen" für die hier verfahrensgegenständlichen Steuerstraftaten dar. Die in der Schweiz angeklagte Betrugstat soll im April 2005 in Köln begangen worden sein; die hiesigen Steuerstraftaten im Jahr 2007 in Frankfurt am Main. Im schweizerischen Verfahren sei den Angeklagten zur Last gelegt worden, dass sie aus Mitteln des DFB einen Betrag von 6,7 Millionen Euro zur Befriedigung eines Darlehensrückzahlungsanspruchs gegenüber F. B. verwendet und zu diesem Zweck Mitglieder des OK-Präsidialausschusses über den Anlass der Zahlung getäuscht und die Überweisung an die FIFA zur Weiterleitung an den Darlehensgeber veranlasst haben sollen. Im hiesigen Verfahren werde den Angeklagten dagegen zur Last gelegt, die Zahlung in Höhe von 6,7 Millionen Euro unberechtigt als Betriebsausgabe in die Gewinnermittlung des DFB einbezogen zu haben.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 20.04.2023, 7 Ws 294/22, unanfechtbar