25.04.2023
Werbungskosten: Langjährige gewerbliche Tätigkeit keine Erstausbildung
Aufwendungen für eine Berufsausbildung sind ohne den vorherigen Abschluss einer Erstausbildung gemäß § 9 Absatz 6 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht als Werbungskosten abzugsfähig, auch wenn der Steuerpflichtige zuvor langjährig Einkünfte aus einer gewerblichen Tätigkeit erzielt hat. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden.
Der Kläger absolvierte in den Jahren 2001 bis 2003 ein 20 Monate dauerndes Praktikum. Im Rahmen dieses Praktikums lernte er das Berufsfeld der Veranstaltungstechnik und des Veranstaltungsmanagements kennen. Die erworbenen Kenntnisse nutzte der Kläger im Anschluss an das Praktikum, um ein eigenes Gewerbe im Bereich der Veranstaltungs- und Showtechnik zu betreiben.
Im September 2016 begann er bei einer Flugschule mit einer Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer, die er 2017 erfolgreich abschloss. Hierfür entstanden ihm Aufwendungen in Höhe von 8.789 Euro (2016) beziehungsweise 21.310,63 Euro (2017). Im Anschluss war er bei verschiedenen Airlines als Verkehrspilot tätig.
Das beklagte Finanzamt berücksichtigte die vom Kläger als vorweggenommene Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen für die Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer in den Streitjahren 2016 und 2017 lediglich als Sonderausgaben. Hiergegen klagte der Kläger erfolglos.
Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung zählten zwar grundsätzlich zu den (vorweggenommenen) Werbungskosten, wenn sie in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhang mit (späteren) Einnahmen stehen, führt der BFH aus. Sie seien jedoch gemäß § 9 Absatz 6 Satz 1 EStG in der Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, der erstmals für den Veranlagungszeitraum 2015 und damit auch im Streitfall anzuwenden sei, nur dann als Werbungskosten abziehbar, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder Studium) abgeschlossen hat oder wenn die Berufsausbildung oder das Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet.
Hierunter falle das Praktikum, das der Kläger absolviert habe, nicht. Auch lasse sich die mehrjährige gewerbliche Tätigkeit des Klägers nicht unter das Tatbestandsmerkmal "Berufsausbildung als Erstausbildung" in § 9 Absatz 6 Sätze 1 und 2 EStG subsumieren, so der BFH. Auch eine teleologische Reduktion der Vorschrift komme nicht in Betracht, da der Gesetzeswortlaut Folge einer bewussten rechtspolitischen Entscheidung des Gesetzgebers sei.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.02.2023, VI R 22/21