24.04.2023
Einrichtung einer Lautsprecheranlag in Zug oder Flugzeug: Noch keine öffentliche Wiedergabe eines Musikstücks
Die Ausstrahlung eines Musikwerks als Hintergrundmusik in einem Personenbeförderungsmittel stellt eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Unionsrechts dar. Auf die bloße Einrichtung einer Lautsprecheranlage und gegebenenfalls einer Software an Bord eines Beförderungsmittels, die die Ausstrahlung von Hintergrundmusik ermöglichen, treffe dies dagegen nicht zu, stellt der Europäische Gerichtshof (EuGH) klar.
Zwei rumänische Verwertungsgesellschaften für Urheberrechte und verwandte Schutzrechte im Musikbereich hatten gegen ein Luftfahrtunternehmen und eine Eisenbahngesellschaft auf Zahlung ausstehender Vergütung sowie von Vertragsstrafen für die öffentliche Wiedergabe von Musikwerken ohne Lizenz an Bord von Luftfahrzeugen und Reisezugwagen geklagt. Das mit diesen Rechtssachen befasste Berufungsgericht Bukarest hat dem EuGH hierzu zwei Fragen vorgelegt.
Es möchte erstens wissen, ob die Ausstrahlung eines Musikwerks oder eines Auszugs davon in einem mit Fluggästen besetzten gewerblichen Flugzeug zu irgendeinem Zeitpunkt während des Flugs über das allgemeine Lautsprechersystem des Luftfahrzeugs eine öffentliche Wiedergabe darstellt. Zweitens soll der EuGH klären, ob ein Eisenbahnunternehmen, das Eisenbahnwagen verwendet, in denen Lautsprechersysteme für die Übermittlung von Informationen an die Fahrgäste eingerichtet sind, damit eine öffentliche Wiedergabe vornimmt.
Die Ausstrahlung eines Musikwerks als Hintergrundmusik in einem Personenbeförderungsmittel durch dessen Betreiber sei eine öffentliche Wiedergabe dieses Werks, antwortet der EuGH. Denn zum einen werde dieser Wirtschaftsteilnehmer dabei in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens tätig, um seinen Kunden Zugang zu einem geschützten Werk zu verschaffen. Tatsächlich könnten die Kunden ohne dieses Tätigwerden das ausgestrahlte Werk grundsätzlich nicht empfangen. Zum anderen werde dieses Werk für sämtliche Gruppen von Passagieren ausgestrahlt, die dieses Beförderungsmittel gleichzeitig oder nacheinander in Anspruch genommen haben.
Die bloße Bereitstellung der Einrichtungen, die eine Wiedergabe ermöglichen oder bewirken, stelle dagegen selbst keine Wiedergabe dar. Das EU-Recht stehe daher einer nationalen Regelung entgegen, wonach das Vorhandensein von Lautsprechersystemen in Beförderungsmitteln eine widerlegliche Vermutung der öffentlichen Wiedergabe begründet. Eine solche Regelung könne nämlich dazu führen, dass die Zahlung einer Vergütung für die bloße Einrichtung dieser Lautsprechersysteme geschuldet wird, und zwar auch dann, wenn es an einer Handlung der öffentlichen Wiedergabe fehlt.
Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 20.04.2023, C-775/21 und C-826/21