19.04.2023
Lizenzverletzung bei Saatgut: Pauschale Mindestentschädigung für ungültig erklärt
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat eine Bestimmung in einer Verordnung der EU-Kommission, die für eine Lizenzverletzung bei Saatgut einen auf der Grundlage der vierfachen Lizenzgebühr berechneten Mindestpauschalbetrag vorsieht, für ungültig erklärt. Dies meldet das Pfälzische Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken, das die Sache vor den EuGH gebracht hatte.
Eine Vereinigung von Sortenschutzinhabern geschützter Pflanzensorten hatte von einem Landwirt unter anderem einen pauschalierten Schadenersatz in Höhe der vierfachen Lizenzgebühr gefordert, weil dieser wiederholt gegen die Regeln des Saatgutnachbaus verstoßen haben soll.
Das Landgericht Kaiserslautern hatte der Klage mit Urteil vom 04.12.2020 (3 O 417/19) überwiegend stattgeben und der Vereinigung von Sortenschutzinhabern den geforderten pauschalisierten Schadenersatz weitestgehend zugesprochen. Zur Begründung hatte es unter anderem angeführt, dieser Betrag ergebe sich aus Artikel 18 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95, der bei Schutzverletzungen dieser Art als Schadenersatz die vierfache Lizenzgebühr vorsehe. Hiergegen wehrte sich der Landwirt und legte Berufung ein.
Das für die Berufung zuständige OLG Zweibrücken hatte Bedenken an der Gültigkeit der dem landgerichtlichen Urteil maßgeblich zugrunde liegenden europäischen Bestimmung, auf deren Grundlage die Berechnung der zugesprochenen Schadenersatzhöhe basiert. Es ging davon aus, dass die EU-Kommission durch die Einführung eines pauschalisierten Mindestschadenersatzes in Höhe der vierfachen Lizenzgebühr die Grenzen ihrer vom Europäischen Rat eingeräumten Durchführungsbefugnis überschritten habe. Deshalb setzte es das Verfahren aus und legte die Rechtssache dem EuGH vor, damit dieser über die Gültigkeit des Artikels 18 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 entscheidet (Beschluss vom 18.08.2021, 4 U 3/21).
Der EuGH hat daraufhin mit Urteil vom 16.03.2023 die in Frage stehende europäische Vorschrift für ungültig erklärt, wie das OLG Zweibrücken mitteilt. Zur Begründung habe er ausgeführt, die EU-Kommission habe die ihr eingeräumte Durchführungsbefugnis bei der Festlegung der Höhe des Schadensersatzes überschritten. Denn der Umfang des geschuldeten Schadenersatzes müsse möglichst genau die Schäden abdecken, die dem Inhaber des Sortenschutzrechtes tatsächlich und sicher entstanden seien. Ein "pauschalierter Strafschadenersatz" sei unzulässig.
Das OLG Zweibrücken kündigte an, nun unter Beachtung des Umstandes, dass die europäische Norm für ungültig erklärt worden ist, abschließend über die Klage der Vereinigung der Sortenschutzinhaber zu entscheiden.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken, PM vom 12.04.2023