11.04.2023
Forderung: Zum Wiederaufleben wegen Rückgewähr des Erlangten durch Empfänger anfechtbarer Leistung
Schließt die Finanzbehörde einen Vergleich mit dem Insolvenzverwalter über die Rückgewähr des aus einer angefochtenen Rechtshandlung des Steuerschuldners Erlangten, tritt ohne die Mitwirkung des Steuerschuldners keine Bindungswirkung zu seinen Lasten ein. Die zwischenzeitlich getilgte Steuerforderung des Finanzamts lebt infolge der Rückgewähr an den Insolvenzverwalter nur dann gemäß § 144 Absatz 1 Insolvenzordnung (InsO) wieder auf, wenn die Anfechtung des Insolvenzverwalters begründet war. Die Anfechtungsvoraussetzungen sind im finanzgerichtlichen Verfahren über die Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheides gemäß § 251 Absatz 3 Abgabenordnung (AO) vollumfänglich zu überprüfen. Dies hat das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein entschieden.
Sind die Steueransprüche durch ein im Steuerstrafverfahren gemäß den §§ 111b, 111d, 111f Absatz 1 Strafprozessordnung (StPO) in Verbindung mit den §§ 928, 930 Zivilprozessordnung (ZPO) erwirktes staatliches Arrestpfandrecht abgesichert, begründe die spätere Freigabeerklärung des Steuerschuldners am gemäß § 930 Absatz 2 ZPO hinterlegten Pfand keine anfechtbare Rechtshandlung gemäß § 133 Absatz 1 InsO, sofern das Arrestpfandrecht selbst insolvenzrechtlich unanfechtbar entstanden ist. Leistet der Steuerschuldner auf die vollziehbar festgesetzte Steuerforderung durch Freigabe aus der Hinterlegung, tritt laut FG die Freigabeerklärung hinter der rechtmäßigen, durch ein Pfandrecht abgesicherten Einziehung der titulierten Steueransprüche zurück.
Die bloße Behauptung von Dritteigentum am Pfandgegenstand lasse das Arrestpfandrecht nicht entfallen. Zugunsten des Pfandgläubigers streite die Eigentumsvermutung gemäß § 1006 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Unabhängig davon entfalte das Arrestpfandrecht bis zu seiner erfolgreichen Anfechtung durch den Schuldner und/oder eine drittberechtigte Person volle Wirksamkeit.
Im Urteilsfall stand eine Gemengelage zwischen Strafprozessrecht (Vermögensabschöpfung), Insolvenzrecht und Steuerverfahrensrecht zur Beurteilung. Im Rahmen eines Steuerstrafverfahrens wegen hinterzogener Gastronomieumsätze arrestierte die Steuerfahndung aufgrund gerichtlicher Anordnung das in einem Schließfach des Steuerpflichtigen vorgefundene Bargeld nach den §§ 111b ff. StPO. Nach abschließender Steuerfestsetzung einigten sich die Beteiligten auf eine Verrechnung des im Zuge seiner Arrestierung hinterlegten Bargeldes mit offenen Umsatzsteuerschulden. Einige Monate später geriet der Steuerpflichtige in Insolvenz. Der Insolvenzverwalter focht die Zustimmung des Steuerpflichtigen zur Verrechnung des im Zuge des Arrestes gemäß § 930 Absatz 2 ZPO hinterlegten Bargeldes als insolvenzrechtlich anfechtbare Rechtshandlung (Gläubigerbenachteiligung) an, woraufhin das Finanzamt einen Teil der Verrechnungssumme in Vollzug eines Vergleichs an den Insolvenzverwalter zurückgewährte. Im Anschluss daran stritten die Beteiligten im Feststellungsverfahren gemäß § 251 Absatz 3 AO über das Wiederaufleben der Steuerforderung gemäß § 144 Absatz 1 InsO und die Rechtmäßigkeit der entsprechenden Tabellenanmeldung des Finanzamts.
Das FG gab der Klage statt. Es gelangte zu der Auffassung, dass die Anfechtung des Insolvenzverwalters nicht begründet gewesen sei und der Vergleich nicht zulasten des unbeteiligten Steuerpflichtigen wirke. Bereits mit der ersten Beschlagnahme des Bargeldes sei ein unanfechtbares staatliches Arrestpfandrecht entstanden, das auch die Ansprüche des geschädigten Steuerfiskus abgesichert habe. Zugunsten des Finanzamts wirke zudem gemäß § 1006 Absatz 1 BGB die Vermutung, dass der Schließfachinhalt Eigentum des Schließfachinhabers gewesen sei.
Finanzgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 25.11.2022, 4 K 111/20, rechtskräftig