04.04.2023
Unterlagen Helmut Kohls: Kein Anspruch auf Wiederbeschaffung
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat entschieden, dass weder das Informationsfreiheitsgesetz noch das Bundesarchivgesetz einen Anspruch auf die Wiederbeschaffung bei einer Behörde im Antragszeitpunkt nicht mehr vorhandener Unterlagen gewähren. Zudem dürfe die Suche nach begehrten Informationen in äußerst umfangreichen Aktenbeständen ausnahmsweise unterbleiben, wenn sie die Wahrnehmung vorrangiger Sachaufgaben erheblich behindern würde.
Die Klägerin, eine Journalistin, begehrt vom Bundeskanzleramt unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz und das Bundesarchivgesetz Zugang zu sämtlichen amtlichen Unterlagen des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl, die beim Bundeskanzleramt oder bei der Witwe Kohls vorhanden seien. Hilfsweise begehrt sie Zugang zu derartigen Unterlagen aus dem Zeitraum 1982 bis Juni 1987, höchst hilfsweise zu derartigen Unterlagen zu den Themen deutsch-südamerikanische Beziehungen, Südamerika, Chile, Argentinien und Paraguay. Das Bundeskanzleramt gewährte Einsicht in insgesamt 45 bei ihm vorhandene Unterlagen und lehnte den Antrag im Übrigen ab.
Die hierauf erhobene Klage auf Zugang zu sämtlichen begehrten Unterlagen wies das Verwaltungsgericht ab. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die nicht thematisch eingegrenzten Anträge seien nicht hinreichend bestimmt, weil sie nicht sinnvoll bearbeitet werden könnten. Hinsichtlich der Unterlagen zu Südamerika sei der Anspruch nach erfolgter Stichwortsuche in sämtlichen Registraturen vollständig erfüllt. Die Beklagte habe hinreichend dargelegt, dass eine händische Suche unzumutbar sei, weil dies die Durchsicht von über 9.000 Aktenbänden voraussetze. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Wiederbeschaffung weiterer Unterlagen, falls sich solche – was ungeklärt geblieben ist – im Besitz der Witwe Helmut Kohls befinden sollten.
Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Zwar stehe die Annahme, die Anträge der Klägerin seien zu unbestimmt, nicht mit Bundesrecht in Einklang. Ein Informationszugangsantrag müsse erkennen lassen, auf welche Informationen er gerichtet ist. Das sei hier der Fall gewesen. Insoweit erweise sich das Urteil des OVG aber aus anderen Gründen als richtig. Eine Behörde dürfe die Suche nach Informationen in einem äußerst umfangreichen Aktenbestand ausnahmsweise verweigern, wenn mit ihr ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand verbunden wäre. Dies sei zu bejahen, wenn die informationspflichtige Behörde bei der Wahrnehmung ihrer vorrangigen Sachaufgaben erheblich behindert würde. So liege es, wenn Akten im Umfang mehrerer tausend Bände oder der gesamte über mehrere Jahre entstandene Aktenbestand händisch durchsucht werden müssten. Im Einklang mit Bundesrecht habe das OVG einen Anspruch auf Wiederbeschaffung bei der Behörde im Antragszeitpunkt nicht mehr vorhandener Unterlagen abgelehnt. Das Informationsfreiheitsgesetz und das Bundesarchivgesetz gewähren lediglich einen Anspruch auf Zugang zu Unterlagen, die bei Antragstellung bei der informationspflichtigen Stelle vorhanden sind.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29.03.2023, BVerwG 10 C 2.22