20.03.2023
Gemeinschaftseigentum: "Beschlusszwang" für bauliche Veränderungen nach neuem Wohnungseigentumsrecht
Ein Wohnungseigentümer, der eine in der Gemeinschaftsordnung nicht vorgesehene bauliche Veränderung vornehmen will, muss einen Gestattungsbeschluss notfalls im Wege der Beschlussersetzungsklage herbeiführen, ehe mit der Baumaßnahme begonnen wird. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) zum neuen Wohnungseigentumsrecht entschieden.
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit zwei Doppelhaushälften auf einem im Gemeinschaftseigentum stehenden Grundstück. Nach der Gemeinschaftsordnung bestimmt sich das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander nach dem Gesetz, wobei jedem Eigentümer ein Sondernutzungsrecht an dem an die jeweilige Haushälfte anschließenden Gartenteil zusteht. Ausweislich einer späteren Ergänzung der Teilungserklärung sind sie insoweit allein für Reparaturen und Instandhaltungen verantwortlich und kostenpflichtig. Die Beklagten beabsichtigen gegen den Willen der Klägerin den Bau eines Swimmingpools in der von ihnen genutzten Hälfte des Gartens.
Nachdem die Beklagten mit dem Bau des Pools begonnen hatten, hat die Klägerin Unterlassungsklage erhoben. Diese war in allen Instanzen erfolgreich.
Der BGH entschied, dass der Klägerin ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Absatz 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zustehe. Bauliche Veränderungen müssten gemäß § 20 Absatz 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) durch einen Beschluss der Wohnungseigentümer gestattet werden. Daran fehle es hier. Die Wohnungseigentümer hätten das Beschlusserfordernis auch nicht gemäß § 10 Absatz 1 Satz 2 WEG abbedungen, so der BGH. Dies ergebe sich insbesondere nicht aus der Gemeinschaftsordnung nebst Ergänzung.
Zwar stehe den Beklagten ein Sondernutzungsrecht an dem hälftigen Grundstück zu. Ein solches berechtige aber nicht zu grundlegenden Umgestaltungen der jeweiligen Sondernutzungsfläche, die wie der Bau eines Swimmingpools über die übliche Nutzung hinausgehen. Hierbei handele es sich auch nicht um eine Reparatur oder Instandsetzung. Ebenso wenig bestünden Anhaltspunkte für eine konkludente, vom grundsätzlichen Beschlusserfordernis bei baulichen Veränderungen abweichende Vereinbarung. Dies lasse sich insbesondere nicht etwaigen baulichen Veränderungen entnehmen, die die Klägerin selbst ohne das Einverständnis der Beklagten vorgenommen haben solle.
Dem Unterlassungsanspruch könnten die Beklagten einen eventuellen Anspruch auf Gestattung der baulichen Veränderung gemäß § 20 Absatz 3 WEG nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegenhalten, führt der BGH weiter aus. Zwar könne gemäß § 20 Absatz 3 WEG jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass ihm eine bauliche Veränderung gestattet wird, wenn alle Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, einverstanden sind oder wenn kein anderer Wohnungseigentümer beeinträchtigt wird. Die fehlende Beeinträchtigung der Klägerin und damit einen Gestattungsanspruch der Beklagten musste der BGH für die Revisionsinstanz unterstellen, weil das Landgericht diese Frage offengelassen und keine Feststellungen insbesondere zu der Grundstücksgröße und den baulichen Verhältnissen vor Ort getroffen hatte.
Auch wenn ein bestehender Gestattungsanspruch unterstellt wird, müsse die Gestattung durch Beschluss der Wohnungseigentümer erfolgen, so der BGH weiter. Die vor Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes zum 01.12.2020 umstrittene Frage, ob bauliche Veränderungen eines Beschlusses bedürfen, habe der Gesetzgeber in Kenntnis dieses Streits nunmehr eindeutig entschieden. Danach bedürfe jede von einem einzelnen Wohnungseigentümer beabsichtigte bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums eines legitimierenden Beschlusses, auch wenn kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt wird. So werde sichergestellt, dass die Wohnungseigentümer über alle baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums informiert werden.
Damit sei das Verfahren bei beabsichtigter baulicher Veränderung durch einen einzelnen Wohnungseigentümer vorgezeichnet. Es sei Sache des bauwilligen Wohnungseigentümers, einen Gestattungsbeschluss gegebenenfalls im Wege der Beschlussersetzungsklage (§ 44 Absatz 1 Satz 2 WEG) herbeizuführen, ehe mit der Baumaßnahme begonnen wird. Handelt er dem zuwider, hätten die übrigen Wohnungseigentümer einen Unterlassungsanspruch. Dass der bauwillige Wohnungseigentümer dem Unterlassungsanspruch seinen Gestattungsanspruch nicht unter Berufung auf Treu und Glauben entgegenhalten kann, sei keine bloße Förmelei, betont der BGH. Es sei gerade Sache des bauwilligen Wohnungseigentümers, den gesetzlich geforderten Beschluss über die bauliche Veränderung herbeizuführen. Notfalls müsse er Beschlussersetzungsklage erheben. Demgegenüber sollten die übrigen Wohnungseigentümer nicht in die Rolle gedrängt werden, auf die Erhebung einer Klage durch die Gemeinschaft hinwirken zu müssen. Vorteil dieses nunmehr eindeutig geregelten Verfahrens sei außerdem, dass mit Bestandskraft eines gestattenden Beschlusses (beziehungsweise Rechtskraft eines Urteils, das einen Gestattungsbeschluss ersetzt) zwischen den Wohnungseigentümern ebenso wie im Verhältnis zu deren Rechtsnachfolgern feststeht, dass die bauliche Veränderung zulässig ist.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.03.2023, V ZR 140/22