14.03.2023
Grundsicherungsleistungen: Fehlender Arbeitsantritt nicht immer sozialwidrig
Die unterlassene Aufnahme einer Arbeit ist jedenfalls dann kein sozialwidriges Verhalten, wenn das Jobcenter den Betroffenen "allein lässt" und nicht die nötige Hilfe leistet. Dies hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen im Fall eines Langzeitarbeitslosen aus Osnabrück entschieden, der bis 2003 als Buchhalter gearbeitet hatte.
Hiernach folgten Zeiten der Arbeitslosigkeit und verschiedene Hilfsarbeiten. Der Mann bewarb sich viele Jahre erfolglos auf Stellen als Buchhalter, bis das Jobcenter schließlich ab 2017 keine weiteren Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen übernahm. Es müsse ein Strategiewechsel stattfinden, weil Bewerbungen als Buchhalter nach so langer Zeit nicht mehr erfolgversprechend seien. Überraschend erhielt der Mann 2019 dennoch einen Arbeitsvertrag als Buchhalter bei einer Behörde in Düsseldorf. Zur Arbeitsaufnahme kam es jedoch nicht, weil das Jobcenter die Übernahme der Mietkaution für eine neue Wohnung ablehnte und er deshalb nicht umziehen konnte.
2020 machte das Jobcenter gegenüber dem Mann eine Erstattungsforderung wegen sozialwidrigen Verhaltens geltend, da er nicht zum Einstellungstermin erschienen sei und damit vorsätzlich das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses verhindert habe. Er müsse daher Grundsicherungsleistungen von rund 6.800 Euro erstatten. Hiergegen klagte der Mann. Der fehlende Arbeitsantritt habe nicht in seinem Verschulden gelegen. Den Mietvertrag in Düsseldorf habe er nicht unterschieben, weil er kein Geld für die Kaution gehabt habe und noch nicht aus seinem alten Mietvertrag entlassen gewesen sei.
Das LSG hat die Rechtsauffassung des Klägers bestätigt. Der Nichtantritt einer außerhalb des Tagespendelbereichs gelegenen Arbeitsstelle stelle kein sozialwidriges Verhalten im Sinne eines objektiven Unwerturteils dar, wenn der Arbeitsuchende am künftigen Beschäftigungsort keine Wohnung anmieten könne, weil ihm selbst die Mittel für eine Mietkaution fehlten und das Jobcenter die Übernahme der Kaution abgelehnt habe.
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26.01.2023, L 11 AS 336/21