06.06.2025
Gefährdungsanzeige: Ist kein Visumsantrag
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat die auf Erteilung von Einreisevisa gerichtete Klage eines afghanischen Staatsangehörigen und seiner Familie abgewiesen. Es hat damit eine teilweise stattgebende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin geändert.
Der Kläger macht geltend, er habe seit 2014 mehrfach bis zur Machtübernahme der Tailban in Afghanistan im Dienst der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) Alphabetisierungskurse für afghanische Polizisten abgehalten und sei hierdurch gefährdet. Im August 2021 machte er bei der von der GIZ für das Ortskräfteverfahren Afghanistan bereitgestellten Mailadresse eine so genannte Gefährdungsanzeige. Nachdem in der Folge eine Aufnahme nicht erklärt wurde, erhoben der Kläger und seine Familie im April 2022 Klage auf Erteilung von humanitären Visa zur Einreise in die Bundesrepublik.
Das OVG hat die Klage bereits als unzulässig abgewiesen. Die Kläger hätten nicht den für die Visumerteilung erforderlichen Antrag bei einer deutschen Auslandsvertretung gestellt. Die erfolgte Gefährdungsanzeige stelle keinen Visumantrag dar und stehe diesem auch nicht gleich. Die Anzeige sei vielmehr dem Visumverfahren vorgeschaltet und löse lediglich einen behördeninternen politischen Willensbildungsprozess aus, ob nach § 22 Satz 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) die Aufnahme im Bundesgebiet erklärt werden soll. Durch diese besondere Verfahrensweise werde der im Anschluss an die Aufnahmeentscheidung zu stellende Visumantrag nicht entbehrlich.
Das OVG hat die Klage zudem auch als unbegründet erachtet. Gegen die unterbliebene Aufnahme nach der Gefährdungsanzeige könnten die Kläger nicht anführen, sie hätten einen Anspruch auf Aufnahme. Nach § 22 Satz 2 AufenthG müsse die Aufnahme im Bundesgebiet der "Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland" dienen. Ob dies der Fall sei, befinde allein die Bundesregierung in jedem Einzelfall im Rahmen ihres weiten politischen Entscheidungsspielraums.
Für die früheren Ortskräfte begründe die Regelung kein Recht auf Aufnahme. Dieser behördeninterne politische Meinungsbildungsprozess stelle auch keine nach außen wirkende Verwaltungspraxis dar, die zu einer Selbstbindung der Verwaltung bei der Behandlung von Gefährdungsanzeigen anderer afghanischer Staatsangehöriger führen könnte.
Eine Revision wurde nicht zugelassen. Es besteht die Möglichkeit, Beschwerde gegen die Nichtzulassung einzulegen, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.06.2025, OVG 6 B 4/24, nicht rechtskräftig