Zurück

05.06.2025

Arbeitsverhältnis: Kein Urlaubsverzicht durch Prozessvergleich

Im bestehenden Arbeitsverhältnis kann ein Arbeitnehmer selbst durch gerichtlichen Vergleich nicht auf seinen gesetzlichen Mindesturlaub "verzichten". Das stellt das Bundesarbeitsgericht (BAG) klar.

Die Parteien streiten über die Abgeltung von sieben Tagen gesetzlichen Mindesturlaubs aus dem Jahr 2023. Der Kläger war bei der Beklagten vom 01.01.2019 bis zum 30.04.2023 beschäftigt. 2023 war er von Beginn an bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Seinen Urlaub aus diesem Jahr konnte er daher nicht in Anspruch nehmen.

In einem gerichtlichen Vergleich vom 31.03.2023 verständigten sich die Parteien unter anderem darauf, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 10.000 Euro durch arbeitgeberseitige Kündigung zum 30.04.2023 endet. Zudem hieß es in Ziffer 7 des Vergleichs, Urlaubsansprüche seien "in natura gewährt".

Mit seiner Klage will der Kläger, dass seine Ex-Arbeitgeberin die noch offenen sieben Tage gesetzlichen Mindesturlaubs aus dem Jahr 2023 mit einem Betrag von 1.615,11 Euro nebst Zinsen abgeltet. Der im gerichtlichen Vergleich geregelte Verzicht auf den unabdingbaren Mindesturlaub sei unwirksam. Die Klage war in allen Instanzen erfolgreich. Das BAG wies sie nur hinsichtlich eines geringen Teils des Zinsanspruchs ab.

Der Kläger habe gemäß § 7 Absatz 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) Anspruch auf Abgeltung seines nicht erfüllten gesetzlichen Mindesturlaubs aus dem Jahr 2023. Der Urlaubsanspruch sei nicht durch Ziffer 7 des Prozessvergleichs erloschen, so das BAG. Die Vereinbarung, Urlaubsansprüche seien in natura gewährt, sei gemäß § 134 Bürgerliches Gesetzbuch unwirksam, soweit sie einen nach § 13 Absatz 1 Satz 3 BUrlG unzulässigen Ausschluss des gesetzlichen Mindesturlaubs regelt.

Weder der gesetzliche Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub noch ein erst künftig – mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses – entstehender Anspruch auf Abgeltung gesetzlichen Mindesturlaubs darf laut BAG im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt werden. Das gelte selbst dann, wenn bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung regelt, bereits feststeht, dass der Arbeitnehmer den gesetzlichen Mindesturlaub wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht mehr in Anspruch nehmen kann.

Der bezahlte Mindesturlaub dürfe nach Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 2003/88/EG außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden. Im bestehenden Arbeitsverhältnis dürfe der Arbeitnehmer somit nicht gegen und erst recht nicht ohne finanziellen Ausgleich auf den gesetzlichen Mindesturlaub "verzichten".

Ziffer 7 des Prozessvergleichs enthalte keinen Tatsachenvergleich, auf den § 13 Absatz 1 Satz 3 BUrlG nicht anzuwenden wäre, fährt das BAG fort. Ein solcher setzte voraus, dass eine bestehende Unsicherheit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs durch gegenseitiges Nachgeben ausgeräumt werden soll. Angesichts der seit Anfang 2023 durchgehend bestehenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers habe vorliegend kein Raum für eine Unsicherheit über die tatsächlichen Voraussetzungen des Urlaubsanspruchs bestanden.

Der Einwand der Beklagten, dem Kläger sei es nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit des Anspruchsausschlusses zu berufen, blieb erfolglos. Die Beklagte durfte dem BAG zufolge nicht auf den Bestand einer offensichtlich rechtswidrigen Regelung vertrauen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 03.06.2025, 9 AZR 104/24