23.09.2024
Kostenfreier ÖPNV: Auch für Hilfe zur Pflege beziehende gehbehinderte Heimbewohner
Heimbewohner, die Hilfe zur Pflege beziehen und infolge ihrer Schwerbehinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, haben Anspruch auf unentgeltliche Beförderung im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden.
Die in einem Pflegeheim wohnende Klägerin erfüllte wegen ihrer Schwerbehinderung und der Zuerkennung des Merkzeichens G die Grundvoraussetzungen für die unentgeltliche Beförderung im ÖPNV. Durch eigenes Einkommen verfügte sie zwar über hinreichende Mittel, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Heimkosten zahlte jedoch nach Anrechnung des noch verbleibenden, aber unzureichenden Einkommens der Sozialhilfeträger. Die Klägerin verwendete die ihr noch verfügbaren Eigenmittel zur Beschaffung der ein Jahr gültigen Wertmarke in Höhe von 91 Euro.
Diese seien ihr nunmehr vom Beklagten zu erstatten, so das BSG. Zwar erfasse der Befreiungstatbestand des § 228 Absatz 4 Nr. 2 Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) seinem Wortlaut nach unter anderem nur Bezieher von den Lebensunterhalt sichernden laufenden Leistungen nach dem SGB XII. Trotzdem genüge als Anspruchsvoraussetzung über den Wortlaut hinaus auch der Erhalt von Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII – jedenfalls, soweit Anspruch auf Hilfe zur Pflege in einem Alten- und Pflegeheim besteht. Dies folgt laut BSG aus einer analogen Anwendung der Norm auf hilfebedürftige Heimbewohner, die durch den Bezug von Hilfe zur Pflege dem Existenzsicherungssystem der Sozialhilfe zugehörig sind.
Durch den Systemwechsel vom Bundessozialhilfegesetz zum SGB XII im Jahr 2005 sei insoweit eine planwidrige Regelungslücke im SGB IX entstanden, indem die lediglich Hilfe zur Pflege beziehenden Heimbewohner aus dem Befreiungstatbestand herausgefallen sind, ohne dass ersichtlich sei, dass diese Rechtsfolge vom Gesetzgeber beabsichtigt war. Ein sachlicher Grund für den Ausschluss dieser hilfebedürftigen Heimbewohner erschließe sich nicht.
Bundessozialgericht, Entscheidung vom 19.09.2024