20.09.2024
Controlled Foreign Companies: Britische Besteuerungsvorschriften doch keine unzulässigen staatlichen Beihilfen
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat den Beschluss, mit dem die Kommission bestimmte Vorschriften des Vereinigten Königreichs über die Besteuerung der Gewinne beherrschter ausländischer Unternehmen (Controlled Foreign Companies, CFC) als mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfen eingestuft hatte, für nichtig erklärt. Das Urteil, mit dem das Gericht der Europäischen Union (EuG) den Beschluss bestätigt hatte, hat der EuGH aufgehoben.
Der Kommission und dem EuG sei ein Rechtsfehler unterlaufen, indem sie die auf CFC anwendbaren Vorschriften als geeignetes Referenzsystem angesehen haben, um zu prüfen, ob ein selektiver Vorteil gewährt worden ist.
2019 stellte die Kommission fest, dass das Vereinigte Königreich bestimmten multinationalen Konzernen von 2013 bis 2018 rechtswidrige und mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfen gewährt habe, indem es ihnen selektive Steuervorteile durch Befreiungen von der "CFC-Abgabe", das heißt der von Unternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich auf die Gewinne ihrer CFC geschuldeten Steuer, eingeräumt habe. Sie meinte insbesondere, dass die auf CFC anwendbaren Vorschriften das für die Prüfung des Vorliegens eines selektiven Vorteils maßgebliche Referenzsystem bildeten und dass die Befreiungen von der CFC-Abgabe eine Ausnahme von diesem System darstellten.
Das Vereinigte Königreich und das Unternehmen ITV fochten diesen Beschluss an. 2022 erließ das Gericht ein Urteil, mit dem es die Klagen abwies und das Vorbringen der Kommission bestätigte. Der EuGH hat dieses Urteil jetzt aufgehoben. Der Beschluss der Kommission sei nichtig.
Die Kommission habe bei der Bestimmung des Referenzsystems, dem ersten Schritt der Prüfung der Voraussetzung der Selektivität, grundsätzlich der Auslegung zu folgen, die der Mitgliedstaat den einschlägigen Bestimmungen seines nationalen Rechts zugrunde legt. Etwas anderes gelte nur dann, wenn sie nachweisen kann, dass in der Rechtsprechung oder der Verwaltungspraxis dieses Mitgliedstaats eine andere Auslegung Vorrang hat.
Sofern sich die Kommission in Anbetracht der von dem betreffenden Mitgliedstaat vorgelegten Informationen im Hinblick auf eine nationale Beihilferegelung nicht auf eine Rechtsprechung oder Verwaltungspraxis stützen kann, die ihre eigene Auslegung des nationalen Rechts untermauert, könne diese Auslegung nur dann Vorrang vor der von diesem Mitgliedstaat vertretenen Auslegung haben, wenn die Kommission nachweisen kann, dass die von dem Mitgliedstaat vertretene Auslegung mit dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen unvereinbar ist.
Nach Ansicht des Vereinigten Königreichs bestehe das Referenzsystem im vorliegenden Fall aus dem allgemeinen Körperschaftsteuersystem, das weitgehend auf dem Territorialitätsprinzip beruhe und zu dem in ihrer Gesamtheit auch die auf CFC anwendbaren Vorschriften gehörten. Diese Vorschriften ermöglichten es nämlich, die Gewinne von CFC so zu besteuern, als wenn sie von Unternehmen im Vereinigten Königreich erzielt worden wären, sofern eine hinreichend große Gefahr bestehe, dass diese Gewinne aus Konstruktionen stammten, die zu künstlichen Umleitungen von Gewinnen oder zur Erosion der Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage im Vereinigten Königreich führten.
Nach der vom EuG bestätigten Prüfung der Kommission ließen sich die auf CFC anwendbaren Vorschriften dagegen vom allgemeinen britischen Körperschaftsteuersystem trennen, sodass diese das maßgebliche Referenzsystem bildeten.
Der EuGH prüfte, ob die vom Vereinigten Königreich vertretene Auslegung mit dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen vereinbar ist und bejahte dies. Daher entschied er, dass dem EuG ein Rechtsfehler unterlaufen ist, als es die Feststellung der Kommission in dem streitigen Beschluss bestätigt hat, dass das Referenzsystem zur Prüfung der Selektivität der in Rede stehenden Steuerbefreiungen ausschließlich durch die auf CFC anwendbaren Vorschriften gebildet werde. Dieser Fehler bei der Bestimmung des Referenzsystems beeinträchtige notwendigerweise die gesamte Prüfung der Voraussetzung der Selektivität. Folglich genüge die Feststellung dieses Fehlers, um das Urteil des EuG insgesamt aufzuheben und den Beschluss der Kommission für nichtig zu erklären.
Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 19.09.2024, C-555/22 P, C-556/22 P und C-564/22 P