20.09.2024
Zivilprozesskosten: Können außergewöhnliche Belastungen sein
Das niedersächsischen Finanzgericht (FG) hat entschieden, dass Prozesskosten im Zusammenhang mit der drohenden Rückabwicklung der unentgeltlichen Übertragung eines Forstbetriebs als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können.
Der Kläger hatte 2015 unter anderem einen Forstbetrieb gegen Altenteilleistungen übertragen bekommen. In der Folge beendete er seine Angestelltentätigkeit für den Betrieb und führte diesen als Selbstständiger fort. Im selben Jahr forderte die Übergeberin sodann gerichtlich die Rückübertragung des Betriebs beziehungsweise die Grundbuchberichtigung, weil sie bei Übertragung demenzbedingt geschäftsunfähig gewesen sei. Hiergegen setzte sich der Kläger vor den Zivilgerichten zur Wehr. Die entstandenen Prozesskosten machte er als außergewöhnliche Belastungen geltend.
Nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) den Abzug von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen im weiten Umfang zugelassen hatte (Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10), hat der Gesetzgeber in § 33 Absatz 2 Satz 4 Halbsatz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab dem Veranlagungszeitraum 2013 ein umfassendes Abzugsverbot für Prozesskosten statuiert. Danach sind Zivilprozesskosten nur ausnahmsweise als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig, wenn der Steuerpflichtige ohne diese Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
Das FG bejahte diese Voraussetzungen im Streitfall und gab der Klage statt. Der Kläger habe seine lebensnotwendigen Bedürfnisse ganz überwiegend aus den Erträgen des von der Rückübertragung bedrohten Forstbetriebs bestritten. Aus der maßgeblichen Sicht des Jahres der Inanspruchnahme wären ihm im Fall des Erfolges des Rückübertragungsverlangens übrige Einkünfte unterhalb des Grundfreibetrags verblieben. Die Berührung des steuerlichen Existenzminimums erfülle jedenfalls den Tatbestand der Gefahr für die Existenzgrundlage und die Bedürfnisbefriedigung im üblichen Rahmen.
Dem drohenden Verlust der Existenzgrundlage stehe auch nicht entgegen, dass der Kläger im Fall der Verpflichtung zur Rückübertragung erneut eine Angestelltentätigkeit hätte aufnehmen können. Der Verlust der Existenzgrundlage erfordere keinen dauerhaften Verlust der materiellen Lebensgrundlage. Auch könne dem Kläger nicht entgegengehalten werden, im Notfall die Leistungen der sozialen Sicherungssysteme in Anspruch nehmen zu können.
Gegen das Urteil des FG wurde bereist Revision eingelegt. Diese läuft beim BFH unter dem Aktenzeichen VI R 22/24.
Finanzgericht Niedersachsen, Urteil vom 15.05.2024, 9 K 28/23, nicht rechtskräftig