12.09.2024
Krankenversicherung: Männerbrüste sind keine Krankheit
Eine Gynäkomastie (Brustdrüsenschwellung bei Männern) ist regelmäßig keine behandlungsbedürftige Krankheit. Die gesetzliche Krankenkasse muss daher die Kosten für eine Brustverkleinerung nicht übernehmen. Laut Landessozialgericht (LSG) Hessen gilt jedenfalls dann, wenn die Gynäkomastie keine orthopädischen oder dermatologischen Beschwerden noch ausprägte Schmerzen verursacht.
Ein Versicherter, der unter einer Gynäkomastie mit Berührungsempfindlichkeit und Schmerzen in Ruhe wie auch beim Sport leidet, beantragte die Kostenübernahme für eine beidseitige Mastektomie. Die gesetzliche Krankenkasse lehnte dies ab. Bei nur leichtgradiger Brustvergrößerung ohne entzündliche Veränderungen oder maligne Prozesse sei die Operation medizinisch nicht notwendig. Der 52-jährige Mann machte geltend, es liege eine Entstellung vor. Der operative Eingriff sei zudem aufgrund der Schmerzen sowie der psychischen Belastung gerechtfertigt.
Die Richter beider Instanzen gaben der Krankenversicherung recht. Versicherte hätten Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit komme Krankheitswert zu. Eine Krankheit liege vielmehr vor, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtig werde oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirke. Auch eine mittelbare Therapie könne vom Leistungsanspruch umfasst sein. Wird durch eine Operation jedoch in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen, bedürfe es einer speziellen Rechtfertigung. Die chirurgische Verkleinerung der Brust dürfe nur ultima ratio sein.
Bei dem Versicherten seien keine orthopädischen oder dermatologischen Beschwerden aufgrund der Gynäkomastie nachgewiesen. Auch fehle ein Nachweis für besonders ausgeprägte Schmerzen; die gelegentliche Einnahme von nicht verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln reiche dafür nicht aus. Bei psychischen Belastungen seien vorrangig Behandlungsalternativen auf dem Gebiet der Psychiatrie und Psychotherapie in Anspruch zu nehmen.
Auch unter dem Gesichtspunkt einer Entstellung ergebe sich kein Leistungsanspruch. Denn die körperliche Auffälligkeit sei bei dem Versicherten nicht so ausgeprägt, dass sie sich schon bei flüchtigen Begegnungen in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar mache und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer führe. Vielmehr könne der Versicherte die betreffenden Körperstellen durch Kleidung verdecken. Unbekleidet wirke die Gynäkomastie nicht evident abstoßend, so das LSG. Darüber hinaus käme Gynäkomastie bei mehr als der Hälfte aller erwachsenen Männer vor.
Das Gericht hat die Revision nicht zugelassen.
Landessozialgericht Hessen, L 1 KR 193/22