11.09.2024
Flugverbot wegen russischer Kontrolle: Bleibt zulasten türkischer Airline bestehen
Die "Southwind Airlines" darf vorerst weiter nicht fliegen. Sie scheiterte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin mit einem Eilantrag gegen ein Flugverbot, das deswegen besteht, weil sie von russischen Akteuren kontrolliert wird, die mit ihrer Hilfe die wegen des Ukraine-Kriegs verhängten EU-Sanktionen zu umgehen.
Die Antragstellerin, eine in der Türkei registrierte Aktiengesellschaft, erbringt seit April 2022 unter dem Namen "Southwind Airlines" Personenbeförderungsleistungen im Luftverkehr. Dabei bot sie auch Linienflüge zwischen Deutschland und der Türkei an. Im März 2024 teilte die EU-Kommission den Mitgliedstaaten mit, finnische Behörden hätten ermittelt, dass wesentliche Eigentumsanteile nicht von türkischen Personen oder Unternehmen gehalten würden und die tatsächliche Kontrolle der Fluggesellschaft nicht von diesen ausgeübt werde. Tatsächlich werde die Airline von russischen Akteuren kontrolliert und benutzt, um die gegen Russland wegen des Überfalls auf die Ukraine verhängten EU-Sanktionen zu umgehen. Über die Mitteilung der EU-Kommission informierte das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) die Antragstellerin mit einer E-Mail vom 28.03.2024. Die technische Umsetzung des Verbots übernahm die in Belgien ansässige Europäische Organisation zur Sicherung der Luftfahrt Eurocontrol.
Die Antragstellerin hat im April 2024 um vorläufigen Rechtsschutz gegen das Flugverbot nachgesucht, und zwar sowohl vor dem VG Berlin als auch vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG). Das EuG hat den gegen die EU-Kommission gerichteten Eilantrag mit Beschluss vom 06.08.2024 zurückgewiesen (T-213/24 R), weil diese nicht für das Flugverbot verantwortlich sei. Mit den Eilanträgen vor dem VG wendet sich die Antragstellerin gegen die E-Mail des BMDV und begehrt hilfsweise die vorläufige Feststellung, dass das Flugverbot nicht für sie gelte.
Das VG hat die Eilanträge zurückgewiesen. Sie seien unzulässig. Bei der E-Mail des BMDV vom 28.03.2024 handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt, der ein Flugverbot regele, sondern um eine bloße Information über die Rechtsauffassung der EU-Kommission. Daher sei ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der hiergegen parallel erhobenen Klage nicht statthaft.
Der Feststellungsantrag sei unzulässig, weil zwischen der Antragstellerin und dem BMDV kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis bestehe. Das BMDV selbst sei nicht an der Umsetzung der Norm gegenüber der Antragstellerin beteiligt. Vielmehr handele es sich bei dem Flugverbot um eine so genannte selbstvollziehende ("self-executing") Norm, die unmittelbare Geltung beanspruche. Die praktische Umsetzung des Flugverbots obliege Eurocontrol als dem so genannten Netzmanager. Diese Bewertung stelle keinen Verstoß gegen den Grundsatz des wirksamen Rechtschutzes bei der Durchführung von Unionsrecht nach Artikel 47 der Charta der Grundrechte der EU dar. Denn die Antragstellerin könne gerichtlich gegen Eurocontrol in Belgien vorgehen. Die zentralisierte Kontrolle durch belgische Gerichte vermeide zudem das Risiko divergierender Urteile in unterschiedlichen Mitgliedstaaten.
Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg erhoben werden.
Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 04.09.2024, VG 4 L 143/24, nicht rechtskräftig