04.09.2024
Corona-Impfung: Karlsruhe soll erneut über einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht entscheiden
Die einrichtungs- und unternehmensbezogene Impfpflicht wird erneut eine Sache für das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Das Verwaltungsgericht (VG) Osnabrück hat das Klageverfahren einer Pflegehelferin gegen ein vom Landkreis Osnabrück 2022 mangels Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises ausgesprochenes Betretungs- und Tätigkeitsverbot ausgesetzt: Das BVerfG möge zunächst prüfen, ob § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG, in der Fassung vom 18.03.2022) mit Artikel 2 Absatz 2 S. 1 und Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar gewesen ist, so das VG.
Es geht davon aus, dass die Norm nicht verfassungskonform ausgelegt werden kann. Sie verletze das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit sowie die Berufsfreiheit. Zwar habe das BVerfG bereits mit Beschluss vom 27.04.2022 (1 BvR 2649/21) die Verfassungsmäßigkeit der Norm festgestellt. Aufgrund der nunmehr vorliegenden Protokolle des COVID-19-Krisenstabs des Robert-Koch-Instituts (RKI) sowie der in diesem Zusammenhang heute durchgeführten Zeugenvernehmung des RKI-Präsidenten Lars Schaade sei die Unabhängigkeit der behördlichen Entscheidungsfindung in Frage zu stellen.
Das RKI habe das Bundesgesundheitsministerium auch von sich aus über neue Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung informieren müssen, meint das VG. Nach der Gesetzesbegründung sei der Schutz vulnerabler Personen vor einer Ansteckung durch ungeimpftes Personal ein tragendes Motiv für die Einführung der einrichtungs- und unternehmensbezogenen Impfpflicht gewesen. Diese auf den Empfehlungen des RKI beruhende Einschätzung werde durch die nun veröffentlichten Protokolle des Instituts erschüttert. Der Gesetzgeber sei seiner Normbeobachtungspflicht nicht gerecht geworden. Da § 20a IfSG im Laufe des Jahres 2022 in die Verfassungswidrigkeit hineingewachsen sei, sei eine – erneute – Vorlage an das BVerfG erforderlich. Dem VG komme selbst keine Normverwerfungskompetenz zu.
Verwaltungsgericht Osnabrück, Beschluss vom 03.09.2024, 3 A 224/22, unanfechtbar