07.08.2024
Familienzuschlag: Regelung in baden-württembergischem Landesbesoldungsgesetz verstößt gegen allgemeinen Gleichheitssatz
Der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) Baden-Württemberg hat eine Regelung im Landesbesoldungsgesetz (LBesGBW) zum Familienzuschlag für unvereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz erklärt. Konkret geht es um § 41 Absatz 4 S. 3 in Verbindung mit S. 1 LBesGBW.
Beamte und Richter, denen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht, erhalten einen kinderbezogenen Familienzuschlag für jedes Kind. Im Fall einer Teilzeitbeschäftigung wird der kinderbezogene Familienzuschlag im gleichen Verhältnis wie die Arbeitszeit gekürzt. Sind beide Elternteile im öffentlichen Dienst beschäftigt, ordnet § 41 Absatz 3 S. 1 LBesGBW an, dass nur derjenige den Zuschlag erhält, dem auch das Kindergeld gezahlt wird.
Zweck dieser Konkurrenzregelung ist es, eine Doppelgewährung des kinderbezogenen Familienzuschlags für dasselbe Kind zu verhindern. Bei Teilzeitbeschäftigung des vorrangigen Anspruchsberechtigten wird der Zuschlag nach § 41 Absatz 3 S. 3 LBesGBW nur dann nicht entsprechend der verkürzten Arbeitszeit gekürzt, wenn der andere Elternteil vollbeschäftigt ist oder beide Elternteile zusammen mindestens die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung erreichen.
Im Streitfall waren beide Elternteile teilzeitbeschäftigt, erreichten aber zusammen nicht die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung. Der Ehemann war zu 51,85 Prozent und die Klägerin zu 35,71 Prozent teilzeitbeschäftigt. Die Klägerin erhielt das Kindergeld. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung gewährte deshalb ihr den kinderbezogenen Familienzuschlag, aber nur in Höhe ihres Arbeitszeitanteils von 35,71 Prozent; der Beschäftigungsumfang des Ehemannes wurde nicht berücksichtigt. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat die Regelungen des § 41 Absatz 4 S. 3 LBesGBW dem VerfGH zur Prüfung vorgelegt
Dieser hat die Vorschrift wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz für unvereinbar mit der Landesverfassung erklärt.
Trotz eines addierten Beschäftigungsumfangs von insgesamt 87,56 Prozent erhielten die Klägerin und ihr Ehemann den kinderbezogenen Familienzuschlag nur anteilig in Höhe von 35,71 Prozent. Sie würden dadurch schlechter gestellt als allein anspruchsberechtigte teilzeitbeschäftigte Beamte, die ebenfalls mit einer Arbeitszeit von 87,56 Prozent beschäftigt sind und den kinderbezogenen Familienzuschlag in Höhe dieses Beschäftigungsanteils erhalten. Die Klägerin und ihr Ehemann würden außerdem schlechter gestellt als Elternpaare, die zusammen mindestens 100 Prozent der regelmäßigen Arbeitszeit erreichen und den kinderbezogenen Familienzuschlag entsprechend der Summe beider Beschäftigungsanteile erhalten, lediglich begrenzt auf maximal 100 Prozent.
Diese Ungleichbehandlung lässt sich laut VerfGH nicht durch sachliche Gründe rechtfertigen. Es seien zwar weder die allgemeine zeitanteilige Kürzung des Familienzuschlags bei Teilzeitbeschäftigung noch die Konkurrenzregelung bei mehreren Anspruchsberechtigen zur Vermeidung einer Doppelgewährung für sich betrachtet zu beanstanden. Durch die Kumulation beider Regelungen würden die Klägerin und ihr Ehemann aber überproportional benachteiligt. Rechtfertigende Gründe für die Nichtberücksichtigung des Beschäftigungsumfangs des Ehemannes bei der Gewährung des kinderbezogenen Familienzuschlags an die Klägerin und ihren Ehemann seien nicht ersichtlich.
Das Gesetz verstoße deshalb gegen den allgemeinen Gleichheitssatz der Landesverfassung. Der VerfGH hat dem Gesetzgeber aufgegeben, bis spätestens 31.12.2025 eine verfassungsgemäße Neuregelung mit Wirkung zum 01.01.2024 zu treffen.
Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 12.07.2024, 1 GR 24/22