07.08.2024
Informationsaustausch zwischen Kreditinstituten in Portugal: Möglicherweise bezweckte Wettbewerbsbeschränkung
Der mehr als zehn Jahre andauernde Informationsaustausch zwischen 14 Kreditinstituten in Portugal könnte eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellen. Laut Europäischem Gerichtshof (EuGH) ist aber die Entscheidung, ob dies der Fall ist, letztlich Sache des portugiesischen Gerichts für Wettbewerbssachen.
Im September 2019 verhängte die portugiesische Wettbewerbsbehörde (Autoridade da Concorrência – AdC) gegen 14 Kreditinstitute (darunter die sechs größten in Portugal) eine Geldbuße von insgesamt 225 Millionen Euro. Die AdC meinte, dass die Kreditinstitute von 2002 bis 2013 durch ihre Beteiligung an einem mehr als zehn Jahre lang andauernden vertieften monatlichen Austausch von sensiblen Informationen auf Gegenseitigkeitsbasis gegen das nationale Wettbewerbsrecht und das EU-Wettbewerbsrecht verstoßen hätten.
Die ausgetauschten Informationen betrafen die Märkte für Hypothekenkredite, für Verbraucherkredite und für Unternehmenskredite. Sie bezogen sich auf bestimmte aktuelle und künftige Geschäftsbedingungen, insbesondere Kreditaufschläge und Risikoparameter, sowie die individualisierten Produktionszahlen der Beteiligten an diesem Austausch. Dieser Informationsaustausch wurde als "autonomer" Informationsaustausch angesehen, da die AdC nicht behauptete, dass er im Zusammenhang mit einer wettbewerbsbeschränkenden abgestimmten Verhaltensweise stehe, etwa einer Preisabsprache oder einer Marktaufteilung.
Die AdC ging dennoch davon aus, dass er eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstelle. Nach Ansicht dieser Behörde entbindet sie das Ausmaß dieser abgestimmten Verhaltensweise davon, ihre eventuellen Auswirkungen auf die betroffenen Märkte zu untersuchen, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass die Verhaltensweise gegen das Wettbewerbsrecht verstößt.
Die Mehrzahl der beteiligten Kreditinstitute erhob gegen die Entscheidung der AdC Klage vor dem portugiesischen Gericht für Wettbewerbssachen. Nach ihrem Vorbringen ist der in Rede stehende Informationsaustausch nicht per se als hinreichend wettbewerbsschädlich anzusehen, um als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden zu können. Es sei daher erforderlich, dessen Auswirkungen zu prüfen. Außerdem hätte die AdC jedenfalls den wirtschaftlichen, rechtlichen und regulatorischen Zusammenhang dieses Austauschs berücksichtigen müssen.
Das portugiesische Gericht fragt den Gerichtshof, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Informationsaustausch als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden kann.
Der EuGH stellt fest, dass ein autonomer Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellen kann. Es genüge, wenn dieser Austausch eine Form der Koordinierung darstellt, die im Zusammenhang mit dem Austausch an sich als schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs anzusehen ist. Damit ein Markt unter normalen Bedingungen funktioniert, müssten Marktteilnehmer selbstständig bestimmen, welche Politik sie betreiben wollen, und hinsichtlich des künftigen Verhaltens der anderen Teilnehmer im Ungewissen bleiben. Folglich könne ein Informationsaustausch, wenn er es ermöglicht, eine solche Ungewissheit zu beseitigen, als eine als bezweckte Beschränkung einzustufende Form der Koordinierung angesehen werden.
So liege der Fall, wenn die ausgetauschten Informationen in dem Sinne vertraulich und strategisch sind, dass sie geeignet sind, das künftige Verhalten eines Wettbewerbers auf den betreffenden Märkten offenzulegen. Dies komme hier in Betracht. Denn aus der Darstellung des in Rede stehenden Sachverhalts durch das portugiesische Gericht scheine hervorzugehen, dass die ausgetauschten Informationen unter anderem die Absichten der Beteiligten an dem Austausch hinsichtlich künftiger Änderungen der Kreditaufschläge betrafen. Sollte dies zutreffen, könnte ferner mit einem solchen Austausch, da die Kreditaufschläge zu den Parametern gehören, anhand deren der Wettbewerb auf einem Markt entsteht, kein anderes Ziel verfolgt werden als die Verfälschung des Wettbewerbs.
Es sei jedoch Sache des portugiesischen Gerichts, so der EuGH, die erforderlichen Tatsachenwürdigungen vorzunehmen, um festzustellen zu können, ob der in Rede stehende Austausch tatsächlich eine bezweckte Beschränkung darstellt.
Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 29.07.2024, C-298/22