25.07.2024
Reisekostenrecht: Begriff der Betriebsstätte offen
Hat sich durch das 2014 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts der Begriff der Betriebsstätte geändert? Das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz meint nein, weicht damit aber von der Ansicht der Finanzverwaltung ab. Jetzt liegt die Sache beim Bundesfinanzhof (BFH).
Ein Mann erzielte von 2016 bis 2018 als IT-Berater Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Seine Tätigkeit übte er an vier Tagen pro Woche am Sitz seines (einzigen) Kunden aus. In seinen Einkommensteuererklärungen machte er Aufwendungen für die Fahrten von seiner Wohnung zum Kunden und zurück als Betriebsausgaben geltend, und zwar nach Dienstreisegrundsätzen (0,30 Euro/km für Hin- und Rückfahrt) und nicht mit der Entfernungspauschale (0,30 Euro/km für die Entfernung zwischen Wohnung und Betrieb des Kunden).
Das beklagte Finanzamt hingegen folgte der Auffassung, die das Bundesfinanzministerium mit Schreiben vom 23.12.2014 geäußert hatte, und vertrat die Auffassung, dass dem Begriff der ersten Tätigkeitsstätte in § 9 Einkommensteuergesetz (EStG), der 2014 durch das neue Gesetz eingeführt worden war, auch Bedeutung für die Auslegung des Begriffs der Betriebsstätte in § 4 Absatz 5 EStG zukomme. Der Kläger habe bei seinem Kunden seine "erste Tätigkeitsstätte", sodass nur die Entfernungspauschale von 0,30 Euro anzusetzen sei.
Die dagegen gerichtete Klage des IT-Beraters hatte keinen Erfolg.
Das FG vertrat zwar – anders als das beklagte Finanzamt – die Auffassung, dass die gesetzlichen Anforderungen an eine "erste Tätigkeitsstätte" im Sinne des § 9 EStG (neue Fassung) im vorliegenden Fall aus mehreren Gründen nicht erfüllt seien. Die "Betriebsstätte" sei allerdings nicht unter Rückgriff auf den durch die Neuregelung eingeführten Begriff der "ersten Tätigkeitsstätte" zu bestimmen, sondern weiterhin auf der Grundlage der bisherigen Auslegung des Betriebsstättenbegriffs durch die BFH-Rechtsprechung.
Danach sei im vorliegenden Fall der Sitz des (einzigen) Kunden des Klägers als seine Betriebsstätte anzusehen, sodass er seine Fahrtkosten zwischen Wohnung und Betriebsstätte nur in Höhe der Entfernungspauschale als Betriebsausgaben geltend machen könne. Die Wohnung des Klägers beziehungsweise sein häusliches Arbeitszimmer stelle keine Betriebsstätte dar.
Das FG hat die Revision zum BFH zugelassen, weil dieser zu der hier streitigen Frage noch nicht entschieden hat und das FG mit seinem Urteil zudem von der Ansicht der Finanzverwaltung abweicht. Inzwischen hat der Kläger Revision eingelegt. Diese läuft beim BFH unter dem Aktenzeichen VIII R 15/14.
Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.07.2024, 1 K 1219/21, nicht rechtskräftig