13.06.2024
Rechtsschutzversicherungsbedingungen zum Schiedsgutachterverfahren: Sind rechtswirksam
Die von einem Versicherer in seinen Rechtsschutzversicherungsbedingungen verwendeten Klauseln über das Schiedsgutachterverfahren nach Ablehnung des Rechtsschutzes sind wirksam. Dies hält der Bundesgerichtshof (BGH) fest.
Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gegen einen Versicherer, der Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2019) verwendet, die Klauseln zum Schiedsgutachterverfahren nach Ablehnung des Rechtsschutzes wegen mangelnder Erfolgsaussichten oder wegen Mutwilligkeit der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen enthalten. Diese lauten auszugsweise wie folgt:
"§ 3a Ablehnung des Rechtsschutzes wegen mangelnder Erfolgsaussichten oder wegen Mutwilligkeit – Schiedsgutachterverfahren
(2) Mit der Mitteilung über die Rechtsschutzablehnung ist der Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen, dass er, soweit er der Auffassung des Versicherers nicht zustimmt und seinen Anspruch auf Rechtsschutz aufrechterhält, innerhalb eines Monates die Einleitung eines Schiedsgutachterverfahrens vom Versicherer verlangen kann. Mit diesem Hinweis ist der Versicherungsnehmer aufzufordern, alle nach seiner Auffassung für die Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens wesentlichen Mitteilungen und Unterlagen innerhalb der Monatsfrist dem Versicherer zuzusenden.
(4) Schiedsgutachter ist ein seit mindestens fünf Jahren zur Rechtsanwaltschaft zugelassener Rechtsanwalt, der von dem Präsidenten der für den Wohnsitz des Versicherungsnehmers zuständigen Rechtsanwaltskammer benannt wird. Dem Schiedsgutachter sind vom Versicherer alle ihm vorliegenden Mitteilungen und Unterlagen, die für die Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens wesentlich sind, zur Verfügung zu stellen."
Der vzbv hält die Klauseln für unwirksam. Er will, dass der Versicherer es unterlässt, sie in Verträgen mit Verbrauchern zu verwenden und sich auf sie zu berufen. Die Klage hatte keinen Erfolg. Laut BGH halten alle vom vzbv angegriffenen Teilklauseln einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) stand und weichen nicht im Sinne des § 129 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) von § 128 Satz 1 VVG ab.
Die Klausel in § 3a Absatz 2 Satz 1 ARB 2019 bestimme, wie ihre Auslegung ergebe, eine Ausschlussfrist und verstoße insoweit nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB. Sie sei insbesondere nicht deshalb intransparent, weil sie dem Versicherungsnehmer nicht verdeutlicht, welche Folgen es für seinen Anspruch auf Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens hat, wenn der Versicherer in der Mitteilung eine Fristsetzung unterlässt. Eine solche ausdrückliche Regelung von Rechtsfolgen, die sich für den Fall ergeben, dass der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen einer sich in den Bedingungen selbst auferlegten Verpflichtung zuwiderhandelt, fordere das Transparenzgebot nicht.
Es bedurfte laut BGH auch keiner ausdrücklichen Regelung dazu, dass die Versäumung der Frist das Recht des Versicherten unberührt lässt, den Anspruch auf Rechtsschutz im Wege der Deckungsklage geltend zu machen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer entnehme bereits dem Wortlaut der Klausel, wonach er die Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens verlangen "kann", dass diese für ihn ein Recht, aber keine Pflicht begründet. Die Klausel weiche auch nicht von der halbzwingenden Bestimmung des § 128 Satz 1 VVG ab, die keine konkreten Vorgaben für das durchzuführende Verfahren enthält und dem Versicherer insoweit einen Ausgestaltungsspielraum belässt. Deshalb benachteilige sie den Versicherten auch nicht unangemessen im Sinne des § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB.
Auch die Klausel in § 3a Absatz 2 Satz 2 ARB 2019 halte einer Inhaltskontrolle stand. Ihr sei keine Ausschlusswirkung zu entnehmen. Dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer erschließe sich vielmehr aus dem für ihn erkennbaren Sinn und Zweck der Verpflichtung, alle nach seiner Auffassung für die Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens wesentlichen Mitteilungen und Unterlagen innerhalb der Monatsfrist dem Versicherer zuzusenden, dass es darum geht, dem Schiedsgutachter eine Tatsachengrundlage zur Verfügung zu stellen, die ihm eine möglichst zeitnahe Entscheidung ermöglicht. Er werde daraus aber weder folgern, dass nach Fristablauf dem Versicherer übersandte Mitteilungen und Unterlagen nicht auch dem Schiedsgutachter zur Verfügung zu stellen sind, noch, dass er dem Schiedsgutachter seinerseits für die Durchführung des Verfahrens wesentliche Mitteilungen und Unterlagen nicht mehr übermitteln kann.
Die Klausel in § 3a Absatz 4 Satz 1 ARB 2019 sei ebenfalls wirksam, so der BGH weiter. Sie sei insbesondere nicht intransparent, weil sie dem Versicherungsnehmer nicht ausdrücklich die Möglichkeit vorbehält, den Schiedsgutachter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer erwarte im Rahmen dieser Klausel, die das Bestellungsverfahren regelt und dabei generell-abstrakte Kriterien für die Auswahl des Schiedsgutachters festlegt, keine Regelung dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen ihm im Einzelfall das Recht vorbehalten bleibt, Einwände gegen die Auswahl des Gutachters vorzubringen. Er entnehme bereits dem Umstand, dass der Schiedsgutachter durch den Präsidenten der für seinen Wohnsitz zuständigen Rechtsanwaltskammer – und damit durch einen neutralen Dritten – aus dem Kreis der seit mindestens fünf Jahren zur Rechtsanwaltschaft zugelassenen Rechtsanwälte zu bestimmen ist, dass der Schiedsgutachter die Gewähr für eine unparteiliche Entscheidung bieten muss.
Auch die Klausel in § 3a Absatz 4 Satz 2 ARB 2019 sei wirksam. Sie sei insbesondere nicht deshalb unwirksam, weil sie dem Versicherer das Recht eröffnet, dem Schiedsgutachter die Übermittlung solcher Mitteilungen und Unterlagen vorzuenthalten, die er zwar vom Versicherungsnehmer erhalten hat, aber selbst nicht für wesentlich hält. Bereits dem Wortlaut der Klausel entnehme der durchschnittliche Versicherungsnehmer, dass der Versicherer dem Schiedsgutachter alle ihm vorliegenden Mitteilungen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen hat, die für die Durchführung des Verfahrens – objektiv – wesentlich sind. Die Klausel gebe dem Versicherungsnehmer demzufolge keine Anhaltspunkte dafür, dass der Versicherer berechtigt ist, im Wege einer "Vorauswahl" nur das an den Gutachter weiterzuleiten, was er selbst – subjektiv – für wesentlich hält.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.06.2024, IV ZR 341/22