04.06.2024
Cum/Ex-Geschäfte: Anrechnung von Kapitalertragsteuer ist korrigierbar
Die Kapitalertragsteuer ist bei Cum/Ex-Geschäften nur dann anrechnungsfähig, wenn sie tatsächlich einbehalten wurde. Dabei kommt demjenigen, der die Anrechnung für sich in Anspruch nehmen möchte, eine entsprechende Mitwirkungs- und Nachweispflicht zu. Kann die tatsächliche Einbehaltung nicht (mehr) nachgewiesen werden, darf das Finanzamt grundsätzlich eine bereits ergangene Anrechnungsverfügung ändern und zu viel erstattete Steuerbeträge zurückfordern. Dies hat das Finanzgericht (FG) Hessen entschieden.
Eine Gesellschaft hatte im Jahr 2011 an Börsen auf eigene Rechnung Geschäfte um den Dividendenstichtag herum getätigt. In der Körperschaftsteuererklärung für 2011 begehrte sie aus den Börsengeschäften die Anrechnung von Kapitalertragsteuer und legte dazu Steuerbescheinigungen vor. Das Finanzamt ließ den Abzug zu, stellte bei einer Außenprüfung dann aber fest, dass ein Großteil der Transaktionen so genannte Leerverkäufe waren, bei denen der Einbehalt der Kapitalertragsteuer zweifelhaft ist. Infolgedessen änderte es die Anrechnungsverfügung zulasten der Gesellschaft ab.
Diese begehrte Eilrechtsschutz. Ohne Erfolg: Es liege eine typische Cum/Ex-Konstellation vor, bei der es den Beteiligten ausschließlich darum gehe, tatsächlich nicht einbehaltene Kapitalertragsteuer auf die persönliche Steuer anrechnen zu können oder eine Erstattung zu erhalten, so das FG. Nach der Rechtslage für 2011 setze das jedoch voraus, dass ein den Verkaufsauftrag ausführendes inländisches Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut die Kapitalertragsteuer auf die hier betroffenen Dividendenkompensationszahlungen tatsächlich einbehalten und abgeführt habe.
Die Nachweispflicht dafür treffe die Gesellschaft, die diese nicht erfüllt habe. Der bloßen Kapitalertragsteuerbescheinigung komme hier kein Beweiswert für die Frage der tatsächlichen Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer zu. Denn aufgrund der Anonymität der Börsengeschäfte sei nicht überprüfbar, wer wann welche Aktien besessen habe und ob überhaupt Kapitalertragsteuer einbehalten worden sei.
Die antragstellende Gesellschaft sei insoweit nicht schutzwürdig: Sie habe sich in Kenntnis ihrer Nachweispflichten in die Anonymität des Börsengeschäfts begeben. Angesichts der getätigten marktrisikolosen Geschäfte sei es ihr ausschließlich darum gegangen, einen steuerlichen Vorteil aus der Anrechnung der Kapitalertragsteuer zu bekommen. Nur unter Einbeziehung dieser Anrechnung sei das Geschäftsmodell wirtschaftlich sinnvoll. Die Änderung der Anrechnungsverfügung sei binnen einer Jahresfrist zulässig.
Das FG hat die Beschwerde zugelassen. Diese ist beim Bundesfinanzhof anhängig (VIII B 121/23).
Finanzgericht Hessen, Beschluss vom 26.07.2023, 4 V 1042/22, nicht rechtskräftig