27.05.2024
Widerrufsjoker: Nutzungsersatz kein steuerbarer Kapitalertrag
Ein Nutzungsersatz für einen rückabgewickelten Verbraucherdarlehensvertrags stellt keinen steuerbaren Kapitalertrag dar. Auf ein entsprechendes Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) weist der Bund der Steuerzahler (BdSt) Rheinland-Pfalz hin.
Es geht um verheiratete Steuerzahler, die eine Wohnimmobilie erwarben. Um dies zu finanzieren, nahmen sie einen Kredit in Höhe von 208.000 Euro auf, mit fester Zinsbindung von 20 Jahren. Das Ehepaar hat das Darlehen durch regelmäßige Zins- und Tilgungszahlungen sowie Sondertilgungen beglichen. Der Darlehensvertrag von 2005 enthielt eine gesetzlich vorgeschriebene Widerrufsbelehrung, die jedoch fehlerhaft war. "Die Konsequenz daraus ist, dass Verträge auch Jahre später widerrufen werden können, was in Fachkreisen als sogenannter Widerrufsjoker bekannt ist", erklärt der BdSt. Diesen hätten die Steuerzahler 2016 genutzt – der Vertrag hätte rückabgewickelt werden müssen. In einem zivilgerichtlichen Verfahren klagten die Steuerzahler laut BdSt gegen die Bank auf Nutzungsersatz in Höhe von 23.445 Euro. Diesen Betrag hätten die Steuerzahler selbst errechnet. Er beziehe sich auf die bis zum Widerruf erbrachten Zahlungen und deren Nutzungsersatz.
Auf Basis eines zivilgerichtlichen Vergleichs habe die Bank den Eheleuten einen Nutzungsersatz von 14.500 Euro für die gezahlten Zins- und Tilgungsraten gezahlt. Die Steuerzahler machten laut BdSt in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr geltend, dass die Bank zu Unrecht Kapitalertragsteuer einbehalten habe, und beantragten eine Überprüfung des Steuereinbehalts für sämtliche Kapitalerträge.
Das Finanzamt folgte dem nicht und erfasste den Nutzungsersatz als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Dem widersprachen die Steuerzahler mit einem Einspruch und legten später mangels Tätigwerdens des Finanzamts Untätigkeitsklage ein, die als unbegründet zurückgewiesen wurde. Das Finanzgericht entschied laut BdSt, dass der Betrag, der den Steuerzahlern als Ersatz für Nutzungsvorteile gezahlt wurde, zu steuerpflichtigen Kapitalerträgen führt. Der Vergleichsbetrag könne nicht in einen steuerpflichtigen Nutzungsersatz und eine nichtsteuerbare Rückzahlung überhöhter Zinsen aufgeteilt werden.
Der BFH entschied sodann, dass der Bezug eines Nutzungsersatzes im Rahmen der reinen Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrags nach einem Widerruf keinen Kapitalertrag darstellt. "Dies liegt daran, dass er nicht auf einer erwerbsgerichteten Tätigkeit beruht und somit nicht innerhalb der steuerbaren Erwerbssphäre erzielt wird", erläutert der BdSt. Der Nutzungsersatz sei demnach nicht steuerbar. Die Rückabwicklung des Darlehensvertrags führe bei den Steuerzahlern auch nicht zu sonstigen Einkünften. Die Bank schulde ihnen die gezahlten Zinsen und die Mehreinnahmen, die die Bank aus den Zinsen erzielt hat. Dabei werde widerleglich vermutet, dass die Bank tatsächlich Nutzungen in bestimmter Höhe erzielt habe.
Eine wichtige Rolle spiele der Widerrufsjoker nicht nur bei Darlehensverträgen, sondern auch bei Kapitalanlagen wie Lebens- beziehungsweise Rentenversicherungen, hebt der BdSt hervor. Bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung könne auch hier der Joker gezogen und das eingezahlte Kapital sowie Zinsen verlangt werden, die insbesondere in den ersten Vertragsjahren höher waren als der Rückkaufswert.
Bund der Steuerzahler Rheinland-Pfalz, PM vom 24.05.2024 zu Bundesfinanzhof, mit Urteil vom 07.11.2023, VIII R 7/21