21.05.2024
Pflicht zur Nutzung des beSt: Auch bei Klageerhebung über das beklagte Finanzamt
Ein Steuerberater kann nach Einführung des besonderen Steuerberaterpostfaches (beSt) nicht wirksam Klage durch Einwurf der Klageschrift in den Briefkasten des Finanzamtes erheben. Dies stellt das Finanzgericht (FG) Niedersachsen klar.
Ein Steuerberater hatte sich im Auftrag seiner Mandanten gegen Änderungsbescheide nach Durchführung einer Außenprüfung gewandt. Er erhob die Klage in Papierform, indem er diese am letzten Tag der Klagefrist in den Briefkasten des beklagten Finanzamtes einlegte. Das Finanzamt übermittelte die Klage sodann gemäß § 47 Absatz 2 S. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) – nach Fristablauf – an das FG.
Das beklagte Finanzamt machte geltend, die Klage sei unzulässig: Der Steuerberater sei dazu verpflichtet gewesen, für die Klage das beSt zu nutzen. Der Steuerberater sah dies anders. Er meint unter anderem, er habe das beSt im Zeitpunkt der Klageeinreichung gar nicht nutzen können, weil ihm die Bundesteuerberaterkammer damals noch kein beSt empfangsbereit zur Verfügung gestellt habe.
Das FG ist dieser Argumentation nicht gefolgt und hat die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, da sie nicht innerhalb der Klagefrist erhoben worden sei.
Sie habe durch Einwurf in den Briefkasten des Finanzamts nicht fristwahrend erhoben werden können. Zwar gelte die Frist für die Erhebung der Klage gemäß § 47 Absatz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) auch dann als gewahrt, wenn die Klage bei der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, innerhalb der Frist angebracht wird. Der Steuerberater habe die Klage in Papierform jedoch nicht fristwahrend im Sinne des § 47 Absatz 2 FGO "anbringen" können.
Denn auch für die fristwahrende Übermittlung an das Finanzamt nach § 47 Absatz 2 FGO sei die Einhaltung der geltenden Formvorschriften und damit stets die elektronische Form erforderlich. Die Ansicht des Steuerberaters, das "Anbringen" nach § 47 Absatz 2 FGO müsse nur, wenn es elektronisch erfolge, den Anforderungen des § 52a FGO entsprechen und könne daneben weiterhin mittels eines eigenhändig unterschriebenen Dokuments, mithin in Schriftform, erfolgen, sei unrichtig. Richtigerweise dispensiere § 47 Absatz 2 FGO nicht von der nunmehr geltenden elektronischen Einreichungspflicht nach § 52d FGO.
Derjenige, den die elektronische Einreichungspflicht gegenüber dem Gericht gemäß § 52d FGO treffe, müsse die elektronische Übermittlung gemäß § 52a FGO auch bei Beschreiten des von § 47 Absatz 2 FGO eröffneten Weges über das Finanzamt wählen. Es seien keine Gründe dafür erkennbar, so das FG, an eine beim Finanzamt eingereichte Klage geringere Formalanforderungen zu stellen. Vielmehr sprechen mehrerlei Gründe gegen einen Dispens.
So streite schon die systematische Stellung des § 47 Absatz 2 FGO recht deutlich dafür, dass ihm keine Regelung zur Form innewohnt. Denn § 47 FGO regele lediglich die Klagefrist. Ferner wären die Bemühungen des Gesetzgebers, den elektronischen Rechtsverkehr zu stärken und für bestimmte Gruppen als verpflichtend zu erklären auch obsolet, wenn die Klage über den Weg der Anbringung gemäß § 47 Absatz 2 FGO weiterhin per Brief erhoben werden könnte.
Und schließlich komme dem Sinn der Vorschrift des § 47 Absatz 2 FGO die entscheidende Bedeutung zu. Der Gesetzgeber habe für den von einem Verwaltungsakt betroffenen Bürger den Zugang zu den Finanzgerichten erleichtern wollen. Der Bürger habe die gesetzliche Klagefrist bis zum letzten Augenblick – gegebenenfalls auch durch einen Bevollmächtigten – dadurch nutzen können sollen, dass er die Zeit der Postbeförderung bis zu dem in der Regel auswärtigen FG nicht habe beachten müssen und die Klage in den Briefkasten des regelmäßig näher gelegenen Finanzamts habe einwerfen können. Das Finanzamt werde durch § 47 Absatz 2 FGO gleichsam zum "Briefkasten des FG". In diesem Lichte erschiene es widersinnig, wenn der gegenüber dem FG zur elektronischen Übermittlung verpflichtete Berufsträger wegen der erstrebten Erleichterung, den Postlauf nicht beachten zu müssen, von seiner Pflicht wieder befreit würde. Denn der verpflichtete Berufsträger sei aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden elektronischen Infrastruktur auf die Erleichterung gerade nicht angewiesen, betont das FG.
Schließlich sei der Steuerberater im konkreten Fall auch zur Einreichung in der Form des § 52a FGO verpflichtet gewesen, da ihm nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung ein sicherer Übermittlungsweg "zur Verfügung" gestanden habe, zu dessen Nutzung er nach § 52d Satz 2 FGO verpflichtet gewesen sei.
Finanzgericht Niedersachsen, Urteile vom 24.04.2024, 13 K 114/23 und 13 K 115/23