13.05.2024
Fehlerhafte chemische Haarglättung: Schadensersatz und Schmerzensgeld?
Steht einer Kundin nach einer Schädigung ihrer Haare durch eine vermeintlich fehlerhafte chemische Haarglättung ein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld zu? Diese Frage hatte das Landgericht (LG) Koblenz zu beantworten.
Eine Frau mit über das Schulterblatt reichenden Haaren ging zu einer Friseurin, um ihre Haare chemisch glätten zu lassen. Nach der Glättung war ihr Haar in den Haarspitzen unkämmbar und verfilzt. Es musste um mindestens zehn Zentimeter gekürzt werden.
In der Folgezeit wurde ein selbstständiges Beweisverfahren durchgeführt und ein Sachverständigengutachten eingeholt. Die Kundin behauptet, es sei zu Strukturschäden an ihrem Haar gekommen. Die Friseurin habe ein für ihr Haar ungeeignetes Produkt für die chemische Haarglättung verwendet. Infolge der eingetretenen Haarschäden habe sie sich massiv unwohl gefühlt. Sie habe ihre Sozialkontakte erheblich eingeschränkt und solche weitestgehend vermieden. Das Haarbild sei stark entstellend gewesen. Ihr sei es nicht möglich gewesen, die Haare zu frisieren oder ordentlich zu kämmen, da sie weiter abgebrochen und ausgefallen seien. Sie habe das Haus fast ein Jahr lang nur mit Mütze oder Kappe verlassen. Bis zum Erreichen ihrer ursprünglichen Haarlänge dauere es bis zu sechs Jahre. Das massiv beschädigte Haar benötige eine kostenträchtige Intensivpflege.
Für den von ihr behaupteten Pflegeschaden begehrt die Kundin Schadensersatz in Höhe von fast 5.000 Euro. Zusätzlich verlangt sie ein Schmerzensgeld in derselben Höhe und die Feststellung, dass die Friseurin ihr alle künftigen materiellen und immateriellen Schaden anlässlich der mangelhaften Haarbehandlung ersetzen muss.
Die Friseurin führt den Zustand der Haare auf eine von der Kundin selbst vorgenommene Behandlung mit unbekannten Mitteln zurück. Ebenso komme eine andere, natürliche Ursache in Betracht, etwa eine vorangegangene Schwangerschaft.
Das LG Koblenz hat der Kundin ein Schmerzensgeld von 2.500 Euro zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Nach der Vernehmung von Zeugen und aufgrund des Ergebnisses eines Sachverständigengutachtens stellte es fest, dass das von der Friseurin ausgewählte und verwendete Mittel für die Behandlung der Haare der Kundin ungeeignet und somit die vertraglich geschuldete Haarbehandlung mangelhaft gewesen sei. Nach dem Sachverständigengutachten könne der Haarschaden nicht durch eine Schwangerschaft oder durch von der Kundin verwendete Drogerieprodukte eingetreten sein. Da der Verlust und das Abschneiden von Haaren als Körperverletzung anerkannt sei, könne die Frau eine billige Entschädigung in Geld verlangen.
Bei der Festsetzung der Höhe des Schmerzensgeldes berücksichtigte das LG, dass die Geschädigte angesichts des Verlaufs des selbstständigen Beweisverfahrens und um sich nicht dem Vorwurf einer Beweisvereitelung ausgesetzt zu sehen, über einen Zeitraum von jedenfalls eineinhalb Jahren mit dem Makel unnormal strohiger, quasi verunstalteter Haare, den sie auch schlecht habe verbergen können, habe leben müssen. Dies habe eine erhebliche seelische Beeinträchtigung dargestellt. Weiter schmerzensgelderhöhend sei zu berücksichtigen, dass die Kundin sich angesichts des Ausmaßes der Haarschäden zu einem Kurzhaarschnitt gezwungen gesehen habe, um die optischen Auswirkungen möglichst gering zu halten und dennoch weiterhin damit habe leben müssen, dass ihr die Haare bei kleinster physikalischer Beeinträchtigung abgebrochen seien.
Hinzu komme, dass die Friseurin nicht nur zunächst die Zahlung komplett verweigert, sondern sowohl im Verlauf des selbstständigen Beweisverfahrens als auch im vorliegenden Verfahren der Klägerin unterstellt habe, die Schädigung der Haare letztlich selbst verantwortet zu haben. Dies sei als schmerzensgelderhöhende zusätzliche Kränkung der Kundin zu berücksichtigen.
Soweit diese für den von ihr behaupteten Pflegeschaden einen Schadensersatz von fast 5.000 Euro geltend gemacht hat, erachtete das LG die Klage für unbegründet. Der behauptete Pflegeschaden sei mit fiktiven Heilbehandlungskosten vergleichbar, die nach ständiger Rechtsprechung nicht erstattungsfähig seien. Da die Haare der Kundin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung auf Schulterlänge nachgewachsen waren und auch mit Folgeschäden nicht zu rechnen war, hat das LG die Klage auch hinsichtlich des Feststellungsantrags abgewiesen.
Landgericht Koblenz, Urteil vom 14.03.2024, 3 O 267/22, nicht rechtskräftig