07.05.2024
Unterbringung in psychiatrischem Krankenhaus: Muss Kindergeld wegen einer Behinderung nicht ausschließen
Eine erhebliche Mitursächlichkeit der Behinderung des Kindes für seine mangelnde Fähigkeit zum Selbstunterhalt genügt für den Kindergeldanspruch nach § 32 Absatz 4 Satz 1 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) auch dann, wenn es nach § 63 Strafgesetzbuch (StGB) in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht ist. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in Abgrenzung zu einem früheren Urteil vom 30.04.2014 (XI R 24/13) entschieden.
Er hält weiter fest, dass sich Indizien für eine fortwirkende erhebliche Mitursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt aus dem Straf- beziehungsweise Sicherungsverfahren ergeben können. Zu berücksichtigen sein könne namentlich, dass eine seelische Erkrankung des Kindes, die zugleich die vor dem 25. Lebensjahr eingetretene Behinderung darstellt, dazu geführt hat, dass dem Kind wegen der von ihm begangenen rechtswidrigen Taten kein Schuldvorwurf gemacht werden kann.
Im zugrunde liegenden Fall ging es um einen 1999 geborenen Sohn, der seit seinem 14. Lebensjahr unter hebephrener Schizophrenie litt, die sich bei ihm durch expansiv-aggressives Verhalten äußerte. Er wurde immer wieder gewalttätig (laut Gericht im Zustand der Schuldunfähigkeit) und wurde ab März 2017 – mit Unterbrechungen – aufgrund eines Gerichtsbeschlusses in der psychiatrischen Abteilung einer Klinik untergebracht. Einkünfte erzielte er nicht. Nachdem die Familienkasse zunächst Kindergeld gewährt hatte, weil der Sohn infolge seiner Behinderung außerstande sei, für seinen Unterhalt zu sorgen, nahm sie dies für die Zeit des Klinikaufenthaltes zurück. Der Sohn sei aufgrund seiner Unterbringung in der forensischen Psychiatrie und der dadurch bedingten Freiheitsbeschränkung nicht in der Lage, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, nicht aber wegen seiner Behinderung. Dieser Einschätzung folgten weder das Finanzgericht noch der BFH.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.01.2024, III R 42/22