22.04.2024
Geladener Zeuge soll nicht gehört werden: Hinweis erforderlich
Wenn das Finanzgericht (FG) einen Zeugen zur mündlichen Verhandlung geladen hat, diesen dann aber doch nicht vernehmen will, so muss es die Beteiligten vor Erlass des Urteils unmissverständlich darauf hinweisen. Unterbleibt dieser Hinweis, verletzt das FG den Anspruch auf rechtliches Gehör. Dies stellt der Bundesfinanzhof (BFH) klar.
Nach ständiger BFH-Rechtsprechung entsteht durch einen (förmlichen) Beweisbeschluss eine Verfahrenslage, auf die die Beteiligten ihre Prozessführung einrichten dürfen. Sie können grundsätzlich davon ausgehen, dass das Urteil nicht ergehen wird, bevor der Beweisbeschluss vollständig ausgeführt ist. Zwar ist das Gericht nicht verpflichtet, eine angeordnete Beweisaufnahme in vollem Umfang durchzuführen. Will es von einer (weiteren) Beweisaufnahme absehen, muss es aber vor Erlass des Urteils die von ihm durch den Beweisbeschluss geschaffene Prozesslage wieder beseitigen. Dazu hat es für die Beteiligten unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen, dass es den Beweisbeschluss als erledigt betrachtet.
Dasselbe gilt laut BFH, wenn kein Beweisbeschluss ergangen ist, sondern ein Zeuge zur mündlichen Verhandlung geladen wurde. Auch in einem solchen Fall könnten die Beteiligten grundsätzlich davon ausgehen, dass das Gericht die Zeugenvernehmung als erforderlich erachtet und kein Urteil erlässt, bevor diese durchgeführt worden ist. Will das Gericht von der Vernehmung eines geladenen und beispielsweise zum Termin nicht erschienenen Zeugen absehen, müsse es die Beteiligten vor Erlass des Urteils unmissverständlich darauf hinweisen; es sei denn, das Gericht könne aufgrund besonderer objektiver Umstände ausnahmsweise davon ausgehen, dass sich die Beweisaufnahme auch aus Sicht der Beteiligten zweifelsfrei erledigt hat, ohne dass es eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises bedürfte. Unterbleibt ein danach gebotener Hinweis, verletze das FG den Anspruch auf rechtliches Gehör.
Laut BFH kann der Hinweis schriftlich oder in der mündlichen Verhandlung mündlich erteilt werden. Ein mündlich erteilter Hinweis sei als wesentlicher Vorgang der Verhandlung in das Protokoll aufzunehmen.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 04.04.2024, V B 12/23