09.04.2024
Verspätungszuschläge trotz verlängerter Abgabefrist: Anzuwendende Vorschrift
Bei verspäteter Abgabe der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2019 kann wegen der (aufgrund der Corona-Pandemie) gesetzlich verlängerten Abgabefrist ein Verspätungszuschlag nach Ablauf der gesetzlich verlängerten Abgabefrist nicht nach § 152 Absatz 2 Abgabenordnung (AO) – sondern allenfalls nach § 152 Absatz 1 AO – festgesetzt werden. Hierauf weist das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein hin.
Die Kläger haben ihre Einkommensteuererklärungen für 2018 und 2019 nach Ablauf der Abgabefristen eingereicht. Problematisch war, dass aufgrund der Corona-Pandemie für die Veranlagungszeiträume 2018 und 2019 Sonderregelungen beziehungsweise -vereinbarungen im Hinblick auf die Abgabefristen des § 149 AO und den Umgang mit Fristverlängerungsanträgen bestanden.
Für 2018 haben von behördlicher Seite insoweit keine Bedenken bestanden, Fristverlängerungsanträgen von Angehörigen der steuerberatenden Berufe rückwirkend bis zum 31.05.2020 (Pfingstsonntag) zu entsprechen. Eine Verschuldensprüfung (im Sinne des § 152 Absatz 1 AO) durfte in diesen Fällen unterbleiben. Für 2019 hat der Gesetzgeber die Abgabefrist des § 149 Absatz 3 AO dahingehend modifiziert, dass eine Abgabe bis zum 31.08.2021 als rechtzeitig gelten sollte.
Die Kläger hatten in beiden Jahren auch diese Fristen um mehrere Monate verpasst. Das Finanzamt setzte daraufhin Verspätungszuschläge nach der zwingenden Norm des § 152 Absatz 2 AO fest. Ausdrückliche Anpassungen der gesetzlichen Regelungen für Verspätungszuschläge in § 152 AO waren für die Streitjahre nicht getroffen worden. Im entschiedenen Fall war deshalb strittig, ob Verspätungszuschläge nach der Ermessensnorm des § 152 Absatz 1 AO oder im Rahmen einer gebundenen Entscheidung nach § 152 Absatz 2 AO festzusetzen waren. Im Rahmen einer Ermessensentscheidung hätte das Finanzamt die auf eine Erkrankung des Klägers gestützten Entschuldigungsgründe berücksichtigen müssen.
Das FG ist dem Finanzamt im Hinblick auf die Festsetzung der Verspätungszuschläge für den Veranlagungszeitraum 2018 gefolgt, die Festsetzung der Verspätungszuschläge für 2019 hat es hingegen aufgehoben.
Für 2018 sei § 152 Absatz 3 Nr. 1 AO mangels Vorliegens einer behördlichen (oder gesetzlichen) Verlängerung der Abgabefrist nicht einschlägig. Auch eine andere der Rückausnahmen des Absatz 3 greife nicht. Verspätungszuschläge seien daher zwingend nach § 152 Absatz 2 AO festzusetzen. Betreffend 2019 hat das FG seine Aufhebungsentscheidung darauf gestützt, dass die gesetzliche Abgabefristverlängerung im EGAO erst recht dieselben Folgen wie eine behördliche, individuelle Fristverlängerung haben müsse – in beiden Fällen sei die Anwendung des § 152 Absatz 2 AO wegen § 152 Absatz 3 Nr. 1 AO gesperrt. Auch bei Überschreiten der gesetzlich verlängerten Abgabefrist sei die Anwendung des § 152 Absatz 2 AO weiterhin gesperrt und das Finanzamt könne Verspätungszuschläge nur im Wege der Ermessensentscheidung nach § 152 Absatz 1 AO festsetzen – dies sei für die behördliche Fristverlängerung seit Langem ganz herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur.
Das FG stützte seine Auffassung weiter damit, dass der Gesetzgeber sich offenbar veranlasst gesehen habe, für die Folgejahre ab 2020 (in denen die Abgabefristen ebenfalls pandemiebedingt gesetzlich verlängert wurden) ausdrücklich zu regeln, wie mit verspäteten Abgaben im Hinblick auf Verspätungszuschläge umzugehen sei. Das FG hat sich damit in Widerspruch zu Entscheidungen des FG Düsseldorf gesetzt (vgl. Gerichtsbescheid vom 07.03.2023, 12 K 1588/22 AO und Urteil vom 24.08.2023 12 K 1698/22 AO).
Die vom FG zugelassene Revision ist beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VI R 2/24 anhängig.
Finanzgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 15.12.2023, 3 K 88/22, nicht rechtskräftig