26.03.2024
Beihilferechtliche Kostendämpfungspauschale in Baden-Württemberg: Ist unwirksam
Die Regelung der Beihilfeverordnung Baden-Württemberg (§ 15 Absatz 1 Satz 5 BVO BW), wonach Beamten des Landes jährlich ein nach Besoldungsgruppen gestaffelter Betrag von der Beihilfe zu krankheitsbedingten Aufwendungen abgezogen wird, wahrt nicht die Anforderungen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes und ist deshalb unwirksam. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden.
Der Kläger, ein Professor der Besoldungsgruppe W 3 an einer baden-württembergischen Universität, erhielt vom beklagten Land eine Beihilfe zu den ihm aus Anlass der medizinischen Versorgung seiner Tochter in den Jahren 2017 und 2018 entstandenen Aufwendungen. Vom errechneten Beihilfebetrag zog das Land für jedes Jahr eine Kostendämpfungspauschale von 275 Euro ab. Der Kläger stützte seine auf Zahlung weiterer Beihilfe in Höhe von 100 Euro (50 Euro für jedes Jahr) gerichtete Klage unter anderem darauf, dass die Kostendämpfungspauschale für die besser verdienenden und deshalb leistungsfähigeren Professoren der Besoldungsgruppe C 4 225 Euro betrage, während sie für Professoren der Besoldungsgruppe W 3 um 50 Euro auf 275 Euro erhöht worden sei.
Die Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht, nicht aber vor dem Verwaltungsgerichtshof Erfolg. Die Revision des Klägers führte zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
§ 15 Absatz 1 Satz 5 BVO BW sei unwirksam, weil der auch im Beihilferecht geltende Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes nicht gewahrt worden sei, begründet das BVerwG seine Entscheidung. Danach müsse der parlamentarische Gesetzgeber die tragenden Strukturprinzipien und wesentliche Einschränkungen des Beihilfesystems selbst festlegen. Bei Beihilfekürzungen in Form von Selbst- beziehungsweise Eigenbeteiligungen müsse der Gesetzgeber wegen deren Auswirkungen auf die Höhe der Alimentation insbesondere selbst entscheiden, welchen Rahmen die Beteiligung der Beamten nicht übersteigen darf. Außerdem müsse er vorgeben, ob und gegebenenfalls nach welchen Gesichtspunkten die Kostendämpfungspauschale der Höhe nach gestaffelt werden muss.
Deshalb sei eine Kostendämpfungspauschale, die durch eine gegenüber dem Gesetz rangniedrigere Rechtsverordnung eingeführt oder geändert wird, nur wirksam, wenn der parlamentarische Gesetzgeber seine diesbezüglichen Vorstellungen in einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung hinreichend klar zum Ausdruck gebracht hat. Eine Bindung an die Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch dann, wenn – wie hier – eine bestehende Verordnungsregelung (§ 15 Absatz 1 Satz 5 BVO) durch den Gesetzgeber selbst geändert worden ist. Sie habe auch in diesem Fall nur den Rang einer Verordnung.
An einer danach erforderlichen hinreichend bestimmten gesetzlichen Ermächtigung für den Erlass der Verordnungsregelung fehle es hier. Der als Ermächtigung allein in Betracht kommenden Vorschrift des Landesbeamtengesetzes Baden-Württemberg (§ 78 Absatz 2 Satz 3) sei mit der Formulierung "zumutbarer Selbstbehalte" weder eine Obergrenze der Eigenbeteiligung zu entnehmen, noch ob und nach welchen Kriterien die Kostendämpfungspauschale zu staffeln ist.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21.03.2024, BVerwG 5 C 5.22