07.03.2024
Coronabedingtes Beherbergungsverbot: Hotel muss Beherbergungsentgelt zurückerstatten
Ein Hotelgast kann die Rückzahlung des von ihm vorausgezahlten Beherbergungsentgelts verlangen, wenn nach der Buchung ein behördliches Verbot der Beherbergung zu touristischen Zwecken zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erlassen wird, das den gebuchten Zeitraum umfasst.
Die Klägerin buchte im Oktober 2019 für sich und vier Mitreisende drei Doppelzimmer in einem Hotel der Beklagten in Lüneburg für den Zeitraum 14. bis 16.05.2020. Hierbei wählte sie einen nicht stornierbaren Tarif. Das Beherbergungsentgelt zahlte sie im Voraus. Mit E-Mail vom 07.05.2020 erklärte sie gegenüber der Beklagten, sie "storniere" die Buchung und bitte um Rückzahlung. Sie bezog sich dabei auf einen Beschluss der Niedersächsischen Landesregierung, wonach die Einschränkungen für das touristische Reisen bis zum 25.05.2020 gälten. Die Beklagte lehnte eine Rückzahlung ebenso wie eine von der Klägerin zuvor unter Hinweis auf die Reisebeschränkungen angefragte Verschiebung der Buchung um ein Jahr ab und bot der Klägerin lediglich eine Umbuchung auf die Zeit nach Aufhebung der Beschränkungen, jedoch nicht später als bis zum 30.12.2020 an.
Die auf Rückzahlung des Beherbergungsentgelts gerichtete Klage hatte Erfolg. Laut BGH ist die Klägerin mit ihrer E-Mail wirksam vom Beherbergungsvertrag zurückgetreten. Der Beklagten sei es für den Zeitraum vom 14. bis 16.05.2020 durch die niedersächsisches Corona-Verordnung untersagt gewesen, Gäste zu touristischen Zwecken zu beherbergen. Ihr sei damit die geschuldete Leistung rechtlich unmöglich geworden. Das in Rede stehende – bis 25.05.2020 befristete – Beherbergungsverbot stehe hier einem zur rechtlichen Unmöglichkeit führenden dauernden Leistungshindernis gleich. Denn es habe die Erreichung des Vertragszwecks infrage gestellt, weil die Klägerin mit der Buchung für einen kalendermäßig konkret bestimmten Zeitraum gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht hatte, dass sich ihr Interesse an der Nutzung der Hotelzimmer – wegen des von ihr und den Mitreisenden mit der Buchung verfolgten Zwecks einer gemeinsamen touristischen Reise – auf diese Leistungszeit bezieht.
Ein weiteres Abwarten konnte der Klägerin laut BGH bei billiger Abwägung der Belange beider Vertragsparteien nicht zugemutet werden. Für sie sei es wegen des wechselhaften Infektionsgeschehens im Rahmen der Covid-19-Pandemie und wegen der bisherigen Entwicklung der staatlichen Maßnahmen zu deren Bekämpfung nicht absehbar gewesen, ob das für den Buchungszeitraum verlängerte Verbot tatsächlich Ende Mai 2020 entfallen würde und unter welchen Bedingungen gegebenenfalls im Anschluss daran touristische Reisen einschließlich Übernachtungen in Hotels wieder erlaubt sein würden.
Die Klägerin habe bereits am 07.05.2020 wirksam zurücktreten können, obwohl die Verlängerung des Beherbergungsverbots für den Buchungszeitraum erst durch die Verordnung vom 08.05.2020 und mit Wirkung ab dem 11.05.2020 erfolgt sei. Ein Gläubiger könne bereits vor Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts – insbesondere aufgrund eines unbehebbaren Leistungshindernisses – eintreten werden. Im Hinblick auf die bis dahin erfolgte Entwicklung der pandemiebedingten Beschränkungen des öffentlichen Lebens im Frühjahr 2020 und die in dem vorgenannten Stufenplan der Niedersächsischen Landesregierung erst für einen späteren Zeitpunkt vorgesehenen Öffnungsschritte betreffend touristische Hotelübernachtungen habe die Klägerin im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen können, dass der Beklagten eine Überlassung der Hotelzimmer im Buchungszeitraum noch nicht wieder erlaubt sein würde.
Das in Rede stehende generelle Beherbergungsverbot sei auch Kein in der Person des Gastes liegender Umstand, der die Pflicht zur Zahlung des Beherbergungsentgelts unberührt ließe. Denn das Verbot sei nach epidemiologischen Gesichtspunkten ausgewählt worden. Es habe weder an die Person oder spezifische Eigenschaften des einzelnen Gastes noch an solche des Mietobjekts angeknüpft. Die Unmöglichkeit der Überlassung der Hotelzimmer sei Folge umfangreicher staatlicher Eingriffe in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zur Bekämpfung der Pandemie gewesen, mit der sich ein die Gesellschaft als Ganzes treffendes allgemeines Lebensrisiko verwirklicht habe.
Schließlich habe die Beklagte dem Rückabwicklungsbegehren der Klägerin nicht unter Berufung auf die Bestimmung zur Störung der Geschäftsgrundlage entgegenhalten können, der Vertrag sei dahingehend anzupassen, dass der Beherbergungszeitraum verschoben werde. Das Gesetz regele in den Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung die Folgen der vorliegend in Rede stehenden Vertragsstörung abschließend. Daneben sei für eine Anwendung der Regelung über die Störung der Geschäftsgrundlage kein Raum.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.03.2024, VIII ZR 363/21