06.03.2024
Überdurchschnittlich viele Corona-Bürgertestungen abgerechnet: Vergütung zu Recht ausgesetzt
Das Verwaltungsgericht (VG) Trier hat eine gegen die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz erhobene Klage auf Zahlung der Vergütung für erbrachte Coronatests abgewiesen.
Die Klägerin ist eine nach der Coronavirus-Testverordnung zugelassene Leistungserbringerin für Coronatests. Für den Monat Mai 2022 meldete sie bei der Beklagten über 7.700 Tests zur Abrechnung. Die Beklagte leitete eine nach der Coronavirus-Testverordnung vorgesehene anlassbezogene Überprüfung der Abrechnung ein und stellte dabei fest, dass im Vergleich zu anderen Teststellen in der Region überdurchschnittlich viele Tests abgerechnet worden waren.
Nach Anhörung der Klägerin setzte sie die Auszahlung der Vergütung zur Durchführung einer Plausibilitätsprüfung aus. In der Folgezeit wurden weitere Auffälligkeiten festgestellt, beispielsweise eine Doppellistung von vier Personen und die Abrechnung von – nach der Testverordnung nicht vorgesehener – Mitarbeitertestungen. Die Klägerin meldete während der streitgegenständlichen Auszahlungsaussetzung bei der Beklagten insgesamt einen Betrag von über einer Millionen Euro zur Abrechnung an. Im Mai 2023 leitete die Staatsanwaltschaft Trier ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Betrugs ein, das noch nicht abgeschlossen ist. Im Dezember 2023 zahlte die Beklagte der Klägerin mehr als 900.000 Euro aus. Bezüglich des Restbetrags von etwa 270.000 Euro verblieb es bei der Aussetzung. Diesen Betrag machte die Klägerin nunmehr mit ihrer Klage geltend.
Zu Unrecht, so das VG. Der Klägerin stehe der geltend gemachte Zahlungsanspruch derzeit nicht zu. Nach den einschlägigen Vorschriften prüfe die Kassenärztliche Vereinigung die von den Leistungserbringern vorgelegten Abrechnungen auf ihre Plausibilität. Sofern Veranlassung dazu bestehe, finde eine vertiefte Prüfung der ordnungsgemäßen Durchführung und Abrechnung statt. Eine Veranlassung in diesem Sinne bestehe dann, wenn Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit der Abrechnung des jeweiligen Leistungserbringers bestünden. Dabei setze eine vertiefte Prüfung weder voraus, dass die Fehlerhaftigkeit der Abrechnung feststehe, noch müsse ein strafrechtlich relevantes Vorgehen tatsächlich vorliegen.
Im Übrigen berechtige und verpflichte eine einmal bestehende Veranlassung dazu, die vertiefte Prüfung solange fortzusetzen, bis alle Auffälligkeiten aufgeklärt und sämtliche Fehlervermutungen ausgeräumt seien. Vor dem Hintergrund, dass auch im Rahmen von Massenverfahren eine wirtschaftliche und sparsame Verwendung der öffentlichen Mittel möglichst sichergestellt werden solle, sei Sinn und Zweck der vertieften Prüfung, gegebenenfalls bestehende weitere Unregelmäßigkeiten aufzudecken und die einmal auffällig gewordenen Abrechnungen gegebenenfalls solange zu prüfen, bis feststehe, dass diese ordnungsgemäß erfolgt seien. Während der Prüfung könne die Auszahlung der Beträge ausgesetzt werden. Dies solle ein etwaiges Rückerstattungsverfahren vermeiden und insbesondere im Interesse der wirtschaftlichen Verwendung von Mitteln des öffentlichen Haushalts verhindern, dass eine spätere Rückerstattungsforderung gegebenenfalls uneinbringlich sei.
Ausgehend von diesen Grundsätzen habe die Beklagte die Zahlungen rechtsfehlerfrei – zunächst vollständig, derzeit noch teilweise – ausgesetzt. Sie habe zunächst zutreffend hinsichtlich des Abrechnungsmonats Mai 2022 statistische Auffälligkeiten festgestellt, da die Klägerin überdurchschnittlich viele Testungen in der Teststellenregion abgerechnet habe. Die Klägerin habe diese Abweichung und die damit einhergehende Vermutung der Fehlerhaftigkeit bisher auch nicht vollends ausräumen können. Bereits vor diesem Hintergrund sei die andauernde Prüfung rechtlich nicht zu beanstanden.
Hinzu kämen weitere im Rahmen der Prüfung aufgedeckte Unregelmäßigkeiten. Auffällig seien neben der Doppeltestung von vier Personen das Fehlen von 90 Einverständniserklärungen bei 855 an einem bestimmten Tag im Mai durchgeführten Tests sowie die Abrechnung von Mitarbeitertests. Schließlich laufe das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren noch, was bereits die Weiterführung der Prüfung rechtfertige, so das VG. Nach alledem begegne die Durchführung und Fortsetzung der vertieften Prüfung durch die Beklagte keinen rechtlichen Bedenken. Auch die Ermessensentscheidung der Beklagten sei rechtlich nicht zu beanstanden.
Gegen die Entscheidung können die Beteiligten die Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz beantragen.
Verwaltungsgericht Trier, Urteil vom 31.01.2023, 8 K 3831/23.TR