01.03.2024
Gemeindliche Obdachlosenunterbringung: Umfasst auch Familiennachzug nach Asylanerkennung
Eine Gemeinde muss auch später nachgezogenen Familienangehörigen eines Flüchtlings eine Obdachlosenunterkunft zuweisen. Dies hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) entschieden.
Eine Ehefrau und zwei Kinder waren Ende 2023 mit einem Visum im Wege des Familiennachzugs nach Deutschland eingereist. Der Ehemann beziehungsweise Vater ist seit Ende August 2023 als Flüchtling anerkannt und lebt als so genannter Fehlbeleger in einer staatlich betriebenen Flüchtlingsunterkunft in der Gemeinde Eichenau. Anträge der Ehefrau und der Kinder auf Aufnahme in dieselbe Flüchtlingsunterkunft und auf Unterbringung durch die Gemeinde im Rahmen der Obdachlosenhilfe blieben erfolglos. Frau und Kinder kamen daraufhin vorübergehend bis Anfang 2024 in einer Münchner Einrichtung für obdachlose Frauen unter.
Auf einen entsprechenden Eilantrag hin verpflichtete das Verwaltungsgericht München die Gemeinde Eichenau, ihnen eine Notunterkunft zuzuweisen. Der BayVGH wies die dagegen eingelegte Beschwerde der Gemeinde zurück. Diese sei als örtliche Sicherheitsbehörde zur Unterbringung von unfreiwillig Obdachlosen in ihrem Gemeindegebiet verpflichtet. Die Antragsteller hätten sich allein durch die Einreise nach Deutschland, ohne hier über eine Unterkunft zu verfügen, nicht freiwillig in die Obdachlosigkeit begeben.
Freiwilligkeit wäre nur anzunehmen, wenn sie sich bewusst für ein "Leben auf der Straße" entschieden hätten. Dagegen spreche aber bereits, dass sie wiederholt ihre Unterbringung beantragt hätten. Die entstandene Obdachlosigkeit sei zwar möglicherweise vorhersehbar, nicht aber freiwillig gewesen.
Dass der Bundesgesetzgeber im vorliegenden Fall den Familiennachzug trotz fehlenden Wohnraums gestattet und so möglicherweise eine Ursache für die Obdachlosigkeit gesetzt habe, entbinde die Gemeinde nicht von ihrer Aufgabe. Sie sei auch trotz des zwischenzeitlichen Ortswechsels der Antragsteller weiter für deren Unterbringung zuständig. Denn der Aufenthalt in München sei allein dem Umstand geschuldet, dass die Gemeinde ihre damals schon bestehende eigene Unterbringungsverpflichtung nicht erfüllt habe.
Fehlbeleger sind bleibeberechtigte ehemalige Asylbewerber, denen es nicht gelungen ist, eigenen Wohnraum zu finden, sodass ihr weiterer Aufenthalt in staatlichen Asylunterkünften geduldet wird.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 15.02.2024, 4 CE 24.60, unanfechtbar