16.12.2025
Diabeteskrankes Grundschulkind: Krankenkasse muss Schulbegleitung bezahlen
Für die Schulbegleitung eines an Diabetes erkrankten Grundschulkindes muss (vorerst) seine Krankenkasse aufkommen. Das hat das Sozialgericht (SG) Frankfurt am Main entschieden.
Ein achtjähriger Junge leidet an insulinpflichtigem Diabetes mellitus Typ I mit starken Blutzuckerschwankungen. Er besucht die zweite Klasse einer Grundschule. Bereits im ersten Schuljahr hatte er bei der Stadt eine Schulbegleitung beantragt, da der Blutzuckerverlauf ständiger Überwachung und gegebenenfalls Intervention bedürfe, wozu er aufgrund seines Alters noch nicht in der Lage sei. Die Stadt hatte den Antrag an die Krankenkasse weitergeleitet. Diese hatte die Schulbegleitung einstweilen übernommen.
Der Junge begehrt nun die Schulbegleitung auch für das zweite Schuljahr. Die Krankenkasse gewährte lediglich häusliche Krankenpflege in Form von Insulininjektionen drei Mal täglich und leitete den Antrag auf Schulbegleitung an die Stadt weiter. Diese lehnte Eingliederungshilfen ab; die Krankenkasse sei einstandspflichtig.
Das Kind beantragte Eilrechtsschutz: Entweder die Stadt oder die Krankenkasse müssten seine kontinuierliche Beobachtung während des Schulbesuchs übernehmen.
Das SG hat die Krankenkasse verpflichtet, einstweilen häusliche Krankenpflege in Form der kontinuierlichen Beobachtung und Intervention beim Blutzuckerverlauf an Schultagen bis zu acht Stunden täglich zu gewähren. Es hat ausgeführt, dass die begehrte Krankenbeobachtung in Form der Schulbegleitung der Versorgung der hier unstreitig vorliegenden Erkrankung diene. Insoweit genüge die Gewährung regelmäßiger Blutzuckermessungen und Insulingaben während des Schulbesuchs zu im Voraus bestimmten Zeiten drei Mal täglich nicht.
Die schwankenden Blutzuckerwerte infolge wechselnder körperlicher Aktivitäten, unregelmäßigem Tagesrhythmus und Infekten machten eine jederzeitige Interventionsmöglichkeit erforderlich. Folglich benötige der Junge auch während des Schulbesuchs eine ständige Beobachtung. Nur so könnten in unvorhersehbar auftretenden Situationen die geeigneten Maßnahmen ergriffen werden, um Über- und Unterzuckerungen zu vermeiden. Hierzu sei der Junge wegen seines Alters selbstständig noch nicht in der Lage. Die Köperwahrnehmung sei alters- und entwicklungsentsprechend eingeschränkt. Zudem würden die Blutzuckermessung und Anpassung der Insulingabe bei dem Kind während des Schulbesuchs täglich zu unregelmäßigen Zeiten erforderlich. Wegen der Gefahr gesundheitlicher Komplikationen sei die engmaschige Beobachtung seiner gesundheitlichen Situation notwendig.
Die Stadt hält das Gericht nicht für leistungspflichtig. Bei der beantragten Leistung handle es sich nicht um eine solche der Eingliederungshilfe als Hilfe zur angemessenen Schulbildung. Leistungen der häuslichen Krankenpflege hätten kurativen Charakter. Diese erfolgten, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich seien. Da der erkrankte Junge auch während der außerschulischen Zeit der ständigen Überwachung und gegebenenfalls Intervention bedürfe und diese durch seine Eltern sichergestellt werde, stelle die beantragte Leistung eine Sicherungspflege im Rahmen der häuslichen Krankenpflege dar. Sie sei nicht dem Bereich der Teilhabe zuzuordnen, da sie nicht der Bewältigung der Anforderungen des Schulalltags diene. Zudem handle es sich um einen einheitlichen Leistungsfall, der nicht künstlich in zwei Begehren (Blutzuckermessung und Insulingabe einerseits und Schulbegleitung andererseits) aufgesplittet werden könne. Die Leistungserbringung habe aus einer Hand zu erfolgen.
Sozialgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 03.11.2025, S 14 KR 445/25 ER, rechtskräftig