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29.10.2025

Abschiebungshaft ohne richterliche Anordnung: Verfassungswidrig

Vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) waren mehrere Verfassungsbeschwerden gegen Festnahmen vor der gerichtlichen Anordnung von Abschiebungshaft erfolgreich.

Die Beschwerdeführerinnen und der Beschwerdeführer sollten abgeschoben werden. Sie wurden zu diesem Zweck jeweils festgenommen, bevor eine richterliche Haftanordnung vorlag. Ihre fachgerichtlichen Rechtsbehelfe blieben erfolglos. Hiergegen wandten sich die Beschwerdeführerinnen und der Beschwerdeführer mit ihren Verfassungsbeschwerden.

Die Verfassungsbeschwerden sind – soweit das BVerfG sie zur Entscheidung angenommen hat – begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzten die Beschwerdeführerinnen und den Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht auf Freiheit der Person, meinen die Richter.

Die Freiheitsentziehung setze grundsätzlich eine vorherige richterliche Anordnung voraus. Eine nachträgliche richterliche Entscheidung genüge nur, wenn der mit der Freiheitsentziehung verfolgte, verfassungsrechtlich zulässige Zweck nicht erreichbar wäre, sofern der Festnahme die richterliche Entscheidung vorausgehen müsste. Eine nachträgliche richterliche Entscheidung sei unverzüglich nachzuholen, also ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt.

In zwei der Verfahren hätten die jeweiligen Ausländerbehörden bereits vor den Festnahmen der Beschwerdeführerinnen geplant, sie vor ihrer Abschiebung in Haft zu nehmen. Warum die Amtsgerichte, bei denen die jeweiligen Anträge der Ausländerbehörden zuvor eingingen, vor den geplanten Festnahmen der Beschwerdeführerinnen keine Beschlüsse erließen, sei von den Fachgerichten weder aufgeklärt worden noch sonst erkennbar. Eine richterliche Entscheidung über den jeweiligen Haftantrag wäre vor der Festnahme der Beschwerdeführerinnen möglich gewesen, meint das BVerfG.

Im dritten Verfahren hätten Amtsgericht (AG) und Landgericht weder hinreichend aufgeklärt, welche Anstrengungen das Regierungspräsidium unternommen hat, um einen Richter zu erreichen, noch untersucht, welche Vorkehrungen am zuständigen AG für die Erreichbarkeit eines Richters getroffen worden waren. Die im angegriffenen Beschluss des AG enthaltene Feststellung, dass nach Ende der "Geschäftszeiten" des zuständigen AG am Freitagnachmittag um 15.00 Uhr keine richterliche Entscheidung mehr zu erlangen gewesen sei, reicht dem BVerfG nicht aus. Denn es gebe für Richter keine allgemein festgelegten Dienstzeiten. Zudem habe es den Gerichten oblegen, bei der Prüfung, ob eine richterliche Entscheidung unverzüglich nachgeholt wurde, eine dem Schutzzweck der Regelung entsprechende Gerichtsorganisation zugrunde zu legen. Ob die Gerichtsorganisation am AG diesem verfassungsrechtlichen Gebot genügte, habe es mangels entsprechender Feststellungen der Gerichte nicht überprüfen, rügt das BVerfG.

Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 04.08.2025, 2 BvR 329/22, 2 BvR 330/22 und 2 BvR 1191/22