22.04.2025
Nichtvulnerable anerkannte Flüchtlinge: Dürfen nach Griechenland rücküberführt werden
Alleinstehenden, erwerbsfähigen und nichtvulnerablen international Schutzberechtigten drohen aktuell bei einer Rückkehr nach Griechenland keine erniedrigenden oder unmenschlichen Lebensbedingungen. Asylanträge dieses Personenkreises in Deutschland können daher als unzulässig abgelehnt werden, ohne dass dies gegen Unionsrecht verstoßen würde. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden und damit die obergerichtlich umstrittene abschiebungsrelevante Lage im Zielstaat Griechenland grundsätzlich geklärt.
Die Kläger, ein in Nord-Gaza geborener 34-jähriger Mann (BVerwG 1 C 18.24) und ein 32-jähriger somalischer Staatsangehöriger (BVerwG 1 C 19.24), wurden in Griechenland als Flüchtlinge anerkannt. Sie verließen Griechenland und reisten nach Deutschland ein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte die hier gestellten weiteren Asylanträge als unzulässig ab und drohte den Klägern die Abschiebung nach Griechenland an. Die dagegen erhobenen Klagen blieben in den Vorinstanzen erfolglos. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat die Berufungen der Kläger zurückgewiesen, da ihnen unter Zugrundelegung der von der Rechtsprechung geforderten hohen Schwelle der Erheblichkeit bei einer Rückkehr nach Griechenland nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigen Behandlung im Sinne von Artikel 4 der EU-Grundrechtecharta drohe.
Die Revisionen, die der VGH Hessen als so genannte Tatsachenrevisionen wegen einer Abweichung von der Beurteilung der allgemeinen abschiebungsrelevanten Lage in Griechenland durch andere Oberverwaltungsgerichte zugelassen hatte, hatten keinen Erfolg. Das BVerwG bestätigte die allgemeine Lagebeurteilung durch den VGH auf Grundlage der aktuellen Erkenntnislage. Danach sei nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass nach Griechenland zurückkehrende arbeitsfähige, gesunde und alleinstehende junge männliche Schutzberechtigte dort in eine extreme materielle Notlage geraten werden, die es ihnen nicht erlaubt, ihre elementarsten Grundbedürfnisse hinsichtlich Unterkunft, Ernährung und Hygiene zu befriedigen.
Zwar hätten wegen bürokratischer Hürden und Wartezeiten bis zum Erhalt erforderlicher Dokumente viele Schutzberechtigte unmittelbar nach der Ankunft keinen Zugang zu staatlichen Unterstützungsleistungen, insbesondere aus dem aktuellen Überbrückungsprogramm, dem Integrationsprogramm Helios+ oder dem staatlichen Grundeinkommen. Sie könnten aber voraussichtlich zumindest in temporären Unterkünften oder Notschlafstellen mit grundlegenden sanitären Einrichtungen unterkommen, die unter anderem auf kommunaler Ebene und durch nichtstaatliche Hilfsorganisationen betrieben werden. Ihre weiteren Grundbedürfnisse einschließlich Ernährung könnten sie durch eigenes Erwerbseinkommen, anfänglich jedenfalls in der so genannten Schattenwirtschaft, decken, zu dem gegebenenfalls Unterstützungsleistungen der genannten Stellen hinzutreten. Eine medizinische Notfall- und Erstversorgung sei gewährleistet.
Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 16.04.2025, BVerwG 1 C 18.24 und BVerwG 1 C 19.24