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21.03.2023

Erblindung nach Frühgeburt: 130.000 Euro Schadenersatz wegen fehlerhafter Sicherungsaufklärung

Ein frühgeborenes Kind hat einen Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadenersatz, wenn es wegen einer fehlerhaften Sicherungsaufklärung nach Entlassung aus der Klinik zu spät augenärztlich untersucht wurde und deswegen erblindet ist. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden und dabei betont, dass es bei Frühgeburten zu nicht unerheblichen medizinischen Komplikationen kommen kann. Deswegen sei eine enge ärztliche Betreuung für das weitere Leben der betroffenen Kinder extrem wichtig.

Das klagende Kind war in der 25. Schwangerschaftswoche geboren worden. Es bestand – wie bei allen Frühgeborenen – ein besonderes Risiko für eine Netzhautablösung. Bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus drei Monate nach der Geburt wurde der Kläger regelmäßig augenärztlich untersucht. Bei der Entlassung wurde eine Kontrolle nach drei weiteren Monaten empfohlen. Bereits nach etwa fünf Wochen stellte sich heraus, dass sich eine Netzhautablösung entwickelt hatte. Das rechte Auge ist vollständig erblindet. Auf dem linken Auge hat der Kläger eine hochgradige Sehbehinderung.

Der Kläger machte geltend, es sei ein Fehler gewesen, eine Kontrolluntersuchung erst drei Monate nach der Krankenhausentlassung zu empfehlen. Das Landgericht Oldenburg hat die Klage abgewiesen, weil es einen direkten Zusammenhang zwischen dem späten Kontrolltermin und der Netzhautablösung nicht für erwiesen hielt.

Das OLG sah dies anders. Bei der Empfehlung, das Kind erst in drei Monaten wieder einem Augenarzt vorzustellen, handele es sich um eine fehlerhafte Sicherungsaufklärung. Nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen hätte die gebotene deutlich frühere ärztliche Nachbegutachtung der Netzhaut zu einer weiteren, erfolgreichen Behandlung geführt (zum Beispiel Laserbehandlung). Die Klinik hafte für den entstandenen Schaden.

Das OLG hat dem Kind ein Schmerzensgeld in Höhe von 130.000 Euro zugesprochen und ist damit deutlich über den Antrag des Klägers hinausgegangen. Dieser hatte den Prozess auf der Grundlage von Prozesskostenhilfe geführt und nur ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von 80.000 Euro verlangt. Das Kind werde sein Leben lang auf Hilfen angewiesen sein. Außerdem schulde die beklagte Klinik Schadenersatz für die materiellen Schäden, die nicht durch die Sozialversicherungsträger übernommen werden.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das OLG hat die Revision zugelassen.

Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 01.03.2023, 5 U 45/22, nicht rechtskräftig