12.06.2025
DStV zum Koaltionsvertrag: Einführung der Selbstveranlagung
Der Koalitionsertrag von Union und SPD gibt als Ziel aus, bei Körperschaften und Personengesellschaften sukzessive auf die Selbstveranlagung umzustellen. Der Deutsche Steuerberaterverband (DStV) blickt auf das Vorhaben mit Skepsis. Ein solche Verfahrensumstellung müsse ausgewogen und gut vorbereitet sein.
Bislang erlasse das Finanzamt nach Prüfung der Steuererklärung einen Steuerbescheid und setze somit die Steuer fest. Künftig sollen Gesellschaften ihre Steuer nach dem Willen der Koalitionäre selbst berechnen, anmelden und entrichten – vergleichbar mit der Umsatzsteuer. Die Steuerfestsetzung durch das Finanzamt würde in der Regel entfallen.
Der DStV begrüßt grundsätzlich das Ziel, das Besteuerungsverfahren zu modernisieren und elektronische Abläufe zu stärken. In Zeiten von Personalmangel könne ein funktionierendes Massenverfahren mit elektronischer Selbstveranlagung sinnvoll sein. Dennoch dürfe die Umstellung nicht einseitig zugunsten der Verwaltung ausfallen. Aus Sicht des DStV bedeute dieses Verfahren: mehr Verantwortung für Unternehmen, aber auch ein höheres Risiko. Für viele Betriebe – insbesondere kleine und mittlere – und deren Berater sei das eine erhebliche Belastung.
Die geplante Umwandlung von Steuererklärungen in verbindliche Steueranmeldungen greife tief in die Verfahrenssystematik der Abgabenordnung ein, betont der Steuerberaterverband. Eine Steueranmeldung bedeute qua Gesetz eine Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Das Finanzamt müsste den Fall nicht sofort prüfen. Es könnte die Steuerfestsetzung jederzeit und ohne weitere Voraussetzungen korrigieren – bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist.
Der Steuerbescheid gewähre hingegen Bestandskraft und schaffe so Rechtssicherheit. Dessen Wegfall würde dem Finanzamt zwar Arbeit ersparen, für die Unternehmen und deren steuerliche Berater aber Unsicherheiten bedeuten. Der DStV fordert deshalb, dass der Vorbehalt der Nachprüfung höchstens ein Jahr gelten dürfe. Nur so könne für Unternehmen die nötige Bestandskraft eintreten – etwa zur Sicherstellung der Bilanzkontinuität oder für verlässliche Gestaltungsentscheidungen. Ohne diese Rechtssicherheit gerate auch die betriebswirtschaftliche Beratung ins Wanken.
Ein Vorteil des neuen Systems solle die bessere Planbarkeit der Steuerzahlungen sein. Doch in der Praxis droht aus Sicht des DStV eher das Gegenteil: Bei Steueranmeldungen müssten Steuerpflichtige einen Monat nach deren Einreichung die Steuer zahlen. Dies könnte als Bedrohung wahrgenommen werden – insbesondere, weil mit der Anmeldung die Vollstreckung ohne gesondertes Leistungsgebot beginnen kann. Der DStV fordert daher einen Gleichlauf: Erstattungen sollten ebenso schnell erfolgen wie Nachzahlungen – ohne den aktuell bei Steueranmeldungen geltenden Zustimmungsvorbehalt der Verwaltung. Andernfalls geht der vermeintliche Liquiditätsvorteil allein an die Finanzkasse.
Mit der Selbstveranlagung entfalle eine zentrale Kontrollinstanz: die Prüfung durch die Sachbearbeiterin oder den Sachbearbeiter im Finanzamt. Das verschiebe die Verantwortung für die Richtigkeit der Steuerfestsetzung vollständig auf Unternehmen und Beraterschaft. Der DStV fordert daher: Es brauche praxistaugliche Berichtigungsmöglichkeiten bei versehentlichen Fehlern – ohne sofortige Strafandrohung. Die bestehende Problematik zwischen bloßer Berichtigung und strafbefreiender Selbstanzeige zeigt für ihn, wie heikel das Thema ist. Ein klarer verfahrensrechtlicher Rahmen sei hier unerlässlich. Ebenso dürfe die Einführung des Selbstveranlagungsverfahrens nicht mit der Ausweitung von Sanktionen einhergehen.
Deutscher Steuerberaterverband e.V., PM vom 10.06.2025