17.12.2024
Eigenbedarfskündigung eines DDR-Altmietvertrags: Keine strengeren Anforderungen
Welche Anforderungen muss eine Eigenbedarfskündigung erfüllen, damit einen DDR-Altmietvertrag wirksam beendet? Hiermit hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) befasst und entschieden, dass die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und keinesfalls strengere Voraussetzungen gelten.
Ein Vermieter, der nach der Wende eine Wohnung im beliebten Berliner Stadtviertel Prenzlauer Berg erworben hatte, hatte seinen Mietern im Jahr 2020 und erneut im Jahr 2022 wegen Eigenbedarfs gekündigt. Der auf unbestimmte Zeit geschlossene Mietvertrag rührte noch aus Zeiten der DDR und bestimmte – in Anlehnung an die seinerzeit in Ost-Berlin noch geltende Vorschrift des § 120 des Zivilgesetzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik (ZGB-DDR) –, dass das Mietverhältnis entweder durch Vereinbarung der Vertragspartner, durch Kündigung seitens des Mieters oder durch gerichtliche Aufhebung endet.
Der Eigentümer begehrt die Räumung und Herausgabe der Wohnung. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht aber lehnte das ab: Die im Mietvertrag getroffene Regelung zur Vertragsbeendigung nehme auf die Vorschriften der §§ 120 ff. ZGB-DDR Bezug und stelle damit eine Eigenbedarfskündigung des Vermieters unter die – im früheren § 122 Absatz 1 ZGB-DDR enthaltene – weitere Wirksamkeitsvoraussetzung, dass der Vermieter die Wohnung aus gesellschaftlich gerechtfertigten Gründen "dringend" benötige. Die vom Kläger für einen Eigenbedarf angeführten Belange erfüllten diese verschärfte Kündigungsvoraussetzung nicht.
Der BGH hob das Urteil des LG auf und verwies die Sache zurück. Die Eigenbedarfskündigung des DDR-Altmietvertrags setze zu ihrer Wirksamkeit nicht voraus, dass der Eigentümer die betreffende Wohnung "aus gesellschaftlich gerechtfertigten Gründen 'dringend' benötigt". Vielmehr bestimmten sich die Voraussetzungen einer solchen Kündigung nach Maßgabe der Übergangsvorschrift des Artikel 232 § 2 des Einführungsgesetzes zum BGB (EGBGB) allein nach den Vorschriften des BGB. Damit sei der hier geltend gemachte Eigenbedarf anhand der Vorschrift des § 573 Absatz 2 Nr. 2 BGB zu beurteilen und liege vor, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt.
Höhere Anforderungen gelten laut BGH vorliegend nicht deshalb, weil der Mietvertrag auf die Vorschriften des ZGB-DDR und deren abweichenden Regelungsgehalt abstellt. Denn der (bundesdeutsche) Gesetzgeber habe im Zusammenhang mit dem Wirksamwerden des Beitritts für das Gebiet der DDR die Befugnis des Vermieters zur Beendigung eines bestehenden Wohnraummietvertrags gegen den Willen des Mieters durch die spezielle gesetzliche Vorschrift in Artikel 232 § 2 EGBGB und die darin angeordnete Geltung der (mietrechtlichen) Vorschriften des BGB – für eine Übergangszeit modifiziert durch besondere, auf einer umfassenden Abwägung der Interessen von Vermieter und Mieter beruhende Schutzvorschriften – vollständig und abschließend geregelt. Mit dieser Regelungssystematik sowie mit dem sich aus den Gesetzesmaterialien ergebenden Sinn und Zweck der gesetzlichen (Übergangs-) Bestimmungen wäre es laut BGH nicht vereinbar, wäre gleich- oder sogar vorrangig zu diesen eine aus der Zeit vor dem Beitritt stammende, in einem DDR-Altmietvertrag enthaltene Regelung der Parteien zur Beendigungsbefugnis des Vermieters maßgeblich, die demgegenüber auf die frühere Rechtslage abstellt.
Das LG muss nun die erforderlichen Feststellungen dazu treffen, ob der hier geltend gemachte Eigenbedarf bei Anwendung des zutreffenden rechtlichen Maßstabs der Vorschrift des § 573 Absatz 2 Nr. 2 BGB vorliegt.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.11.2024, VIII ZR 15/23