02.12.2024
SCHUFA: Einmeldung rückständiger Forderungen als Datenschutzverstoß
Die Einmeldung bei Wirtschaftsauskunfteien (hier: der SCHUFA) kann gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) verstoßen, wenn sich streitige Haupt- und Nebenforderungen nicht klar voneinander trennen lassen, also im Fall einer Vertragskündigung wegen Zahlungsverzugs eine undifferenzierte Gesamtsumme aus Rückständen und Nebenforderungen (zum Beispiel Zinsen, Verzugsschaden) gemeldet wird. Bei einer solch unrechtmäßigen Datenübermittlung durch einen Vertragspartner an die Wirtschaftsauskunftei kann der Schuldner den Widerruf der Übermittlung verlangen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein entschieden.
Der Kläger war 2014 mit seinen Abschlagszahlungen bei einem Energieversorger in Verzug geraten. Das Energieversorgungsunternehmen kündigte ihm daraufhin fristlos. In einer Schlussrechnung wurden dem Kläger Ende 2014 rund 530 Euro in Rechnung gestellt. Der Betrag umfasste ausweislich der Rechnung "anteiligen Paketverbrauch", Mahngebühr, Nichterfüllungsschaden, Überweisungsgebühr sowie einen "Saldo Vertragskonto". Ende 2014 forderte ein Inkassounternehmen rund 660 Euro vom Kläger. Weitere Zahlungsaufforderungen erfolgten in 2014 und 2017.
Im Jahr 2019 erwarb die Beklagte, ebenfalls ein Inkassounternehmen, die Forderung. Im Jahr 2020 und im Februar 2021 forderte die Beklagte den Kläger zur Zahlung auf. Sie wies jeweils auf die Möglichkeit der Einmeldung der Forderung bei der Schufa hin. Am 12.03.2021 veranlasste sie dann die Meldung der offenen Gesamtforderung als Negativeintrag bei der Schufa. 2022 mahnte sie erneut einen Betrag von rund 830 Euro beim Kläger an. Letzterer erhob im Oktober 2022 die Einrede der Verjährung. Dies wurde bei der Schufa registriert. Der Kläger verlangte sodann von der Beklagten erfolglos, den Negativeintrag bei der Schufa entfernen zu lassen. Verschiedene Unternehmen hatten ihm einen Vertragsschluss unter Berufung auf seine fehlende Bonität verweigert.
Der Kläger verlangte per Klage von der Beklagten, den Negativeintrag bei der Schufa zu widerrufen und mindestens 5.000 Euro Schadensersatz zu leisten. Das Landgericht (LG) sprach ihm 500 Euro Schadensersatz zu und verpflichtete die Beklagte, den Eintrag gegenüber der Schufa zu widerrufen. Auf die Berufung der Beklagten änderte das OLG das Urteil dahingehend ab, dass die Beklagte zwar den Eintrag widerrufen müsse, aber keinen Schadensersatz zu leisten habe.
Das OLG kam zu dem Schluss, dass die Meldung der offenen Gesamtforderung durch die Beklagte an die Schufa nicht rechtmäßig und daher zu widerrufen war. Dem Kläger stehe insoweit ein Beseitigungsanspruch in entsprechender Anwendung von §§ 1004, 823 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 1 DS-GVO zu. Die Meldung der Daten an die Schufa sei weder unter Berücksichtigung der Vorschriften zum so genannten Scoring nach § 31 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) noch nach Artikel 6 DS-GVO rechtmäßig.
Für eine Rechtmäßigkeit der Meldung sprächen nicht die Regelungen in § 31 Absatz 2 Satz 1 Nr. 4 und 5 BDSG, da schon Bestand und Fälligkeit der Gesamtforderung zweifelhaft seien Zudem seien. Die Forderungen seien weder unstreitig (Nr. 4) noch handelt es sich sämtlich um Forderungen, wegen derer das Vertragsverhältnis gekündigt werden kann (Nr. 5). In der Schlussrechnung seien neben Rückständen auch Positionen wie Mahngebühren, Nichterfüllungsschaden, Überweisungsgebühren und Verzugskosten enthalten gewesen. Schon die Bezeichnung solcher Forderungen spricht für das OLG dagegen, dass eine Nichtbegleichung zur fristlosen Kündigung des Vertrags führen kann. Zudem lasse die Nichterfüllung solcher Nebenforderungen regelmäßig keinen sicheren Schluss auf mangelnde Zahlungsfähigkeit oder mangelnden Zahlungswillen zu. Die Berechtigung solcher Nebenforderungen hänge schließlich von der Frage ab, ob überhaupt die Rückstände aus dem Vertragsverhältnis zu zahlen sind.
Eine Rechtmäßigkeit der Meldung ergebe sich nicht aus Artikel 6 Absatz 1 f) DS-GVO. Danach könne die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig sein, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. Hier überwiege der Schutz der personenbezogenen Daten des Klägers, was sich aus der eingetretenen Verjährung und der fehlenden Klarheit in Bezug auf die Bestandteile der gemeldeten Gesamtsumme ergibt, so das OLG.
Aus Erwägungsgrund 47 zur DS-GVO ergebe sich, dass ein Interesse des Betroffenen am Schutz seiner personenbezogenen Daten überwiegen kann, wenn er vernünftigerweise nicht mehr mit einer Verarbeitung rechnen muss. So habe der Fall hier gelegen, da die ursprüngliche Forderung aus dem Jahr 2014 stammte und vor der Meldung verjährt war. Nach Erwägungsgrund 71 solle der verantwortliche Datenverarbeiter technische und organisatorische Maßnahmen treffen, um das Risiko von Fehlern im Datenbestand zu minimieren. Dem habe die Beklagte nicht Sorge getragen, indem sie undifferenziert Haupt- und Nebenforderungen in einer Gesamtsumme der Schufa gemeldet hat. Sofern sie aber durch mangelnde Differenzierung nach der Art der Forderungen keine hinreichende Vorsorge für die Richtigkeit der übermittelten Daten trifft, könne das Interesse an der Datenverarbeitung schon deshalb kein "berechtigtes" im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 DS-GVO sein.
Ein Schadensersatzanspruch stehe dem Kläger nicht gemäß § 82 Absatz 1 DS-GVO zu, fährt das OLG fort. Es stehe nicht fest, dass die Meldung der Beklagten zum Scheitern von Vertragsabschlüssen des Klägers geführt hat. Der niedrige Basisscore des Klägers und die Bedenken seiner potentiellen Vertragspartner könnten nicht allein auf der Meldung durch die Beklagte beruhen. Der Bonitätsscore des Klägers sei wesentlich durch die weiteren Umstände beeinflusst gewesen. Er habe zuvor einmal die Abgabe der Vermögensauskunft verweigert, später die Vermögensauskunft abgegeben und ein Verbraucherinsolvenzverfahren durchlaufen. Daran sei die Beklagte nicht beteiligt gewesen.
Das OLG hat die Revision gegen sein Urteil zugelassen.
Oberlandesgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.11.2024, 17 U 2/24, nicht rechtskräftig