12.02.2024
Öffentliches Zugänglichmachen von Filmproduktionen: Digitale Plattform trifft Verhandlungspflicht
Das Landgericht (LG) München I hat die digitale Plattform TikTok zu Unterlassung und Auskunft für das öffentliche Zugänglichmachen von Filmproduktionen verurteilt und ihre Verpflichtung zum Schadensersatz festgestellt. TikTok habe bestmögliche Anstrengungen im Sinne von § 4 Absatz 1 S. 1 Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG) vermissen lassen, um die hierfür angebotenen Nutzungsrechte zu erwerben. Eine derartige Obliegenheit fordere das UrhDaG für das Teilen von Online-Inhalten zur Anwendung vom 21.05.2021, das europäische Vorgaben umsetzt.
Die Beklagte betreibt eine digitale Plattform insbesondere zum Erstellen und Teilen von Videos. Die vornehmlich von Nutzern generierten und hochgeladenen Videos werden von der Beklagten gespeichert, organisiert und anderen Nutzern öffentlich zugänglich gemacht. Die Klägerin hat die Beklagte auf diverse unberechtigte Veröffentlichungen verschiedener Filme auf ihrer Plattform hingewiesen und angeboten, diese kostenpflichtig zu lizenzieren. Die zwischen den Parteien geführten Verhandlungen blieben allerdings ohne Ergebnis.
Das LG hat TikTok antragsgemäß verurteilt, da die Plattform für die erfolgten öffentlichen Wiedergaben der Filmproduktionen urheberrechtlich verantwortlich sei und sich nicht auf eine Enthaftung nach § 1 Absatz 2 UrhDaG berufen könne. Während die Klägerin ihren Obliegenheiten bei den Lizenzverhandlungen nachgekommen sei und ein konkretes Angebot unterbreitet habe, habe die Beklagte die erforderlichen bestmöglichen Anstrengungen im Sinne von § 4 Absatz 1 S. 1 UrhDaG vermissen lassen, um die seitens der Klägerin angebotenen Nutzungsrechte zu erwerben, so das LG.
Ob der Diensteanbieter bestmögliche Anstrengungen unternommen hat, sei auf Grundlage einer umfassenden Betrachtung des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu beurteilen. Nach den Leitlinien zu Artikel 17 der RL 2019/790/EU seien die Verhandlungen zwischen den Diensteanbietern und Rechteinhabern fair und zügig zu führen. Dabei könne für die konkrete Ausgestaltung auf die bereits in Artikel 16 der RL 2014/26/EU statuierten Verhandlungsgrundsätze zurückgegriffen werden, die im deutschen Recht ihre Umsetzung in § 36 des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten gefunden hätten und Ausdruck verallgemeinerbarer Grundsätze sind.
Das konkrete Verhalten der Beklagten habe nicht das Ziel erkennen lassen, alsbald zu einem beiderseits interessengerechten Ergebnis zu gelangen. Die Verhandlungen seien vielmehr von einem einseitigen Informationsfluss von der Klägerin zur Beklagten geprägt gewesen.
Da die Beklagte gegen ihre Lizenzobliegenheit nach § 4 UrhDaG verstoßen hat, könne dahinstehen, ob sie ihre Pflichten zur einfachen und qualifizierten Blockierung nach §§ 7, 8 UrhDaG erfüllt hat. Um in den Vorteil der Enthaftung zu kommen, habe die Beklagte die Pflichten aus §§ 4, 7 bis 11 UrhDaG kumulativ zu erfüllen. Die folge nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus dem regulatorischen Kontext der genannten Vorschriften.
Die §§ 1 ff. UrhDaG bezwecken laut LG in Umsetzung von Artikel 17 der RL 2019/790/EU diejenigen, deren urheberrechtlich geschützte Inhalte auf Upload-Plattformen genutzt werden, an der dabei stattfindenden Wertschöpfung partizipieren zu lassen. Die Entwicklung des Marktes für die Vergabe von Lizenzen zwischen Rechteinhabern und Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten solle gefördert und den Rechtsinhabern die Erzielung höherer Lizenzeinnahmen ermöglicht werden. Die angestrebte Teilhabe des Rechteinhabers an der Wertschöpfung liefe indes leer, wenn es der Diensteanbieter in der Hand hätte, in den Fällen des § 4 Absatz 2 UrhDaG zwischen Lizenzierung und Blockierung zu wählen und sich im Fall eines Verstoßes gegen die Lizenzierungsobliegenheit auf die getroffenen Maßnahmen zur qualifizierten Blockierung (§ 7 UrhDaG) und einfachen Blockierung (§ 8 UrhDaG) zurückzuziehen.
Landgericht München I, Urteil vom 09.02.2024, 42 O 10792/22, nicht rechtskräftig