24.11.2023
"Letzte Generation": Anfangsverdacht für Bildung krimineller Vereinigung bestätigt
Die "Letzte Generation" als kriminelle Vereinigung – nach Ansicht des Landgerichts (LG) München ist dies nicht ausgeschlossen. Ihr Erscheinungsbild werde von Nötigungen von Verkehrsteilnehmern mitgeprägt.
Die Generalstaatsanwaltschaft München führt ein Ermittlungsverfahren gegen zahlreiche Personen, die sich als Mitglieder der "Letzten Generation", einer Gruppe von Klimaaktivisten, betätigt haben sollen. Den Beschuldigten wird unter anderem die Bildung einer kriminellen Vereinigung gem. § 129 Strafgesetzbuch (StGB) vorgeworfen. Im Zuge der Ermittlungen erließ das Amtsgericht (AG) München auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft mehrere Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse. Hiergegen legten elf Betroffene Beschwerde ein.
Das LG München I hat die Voraussetzungen für den Erlass der Durchsuchungsbeschlüsse bejaht. Das AG sei zu Recht davon ausgegangen, dass ein Anfangsverdacht dafür bestehe, dass die "Letzte Generation" eine kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 StGB bildet.
Die "Letzte Generation" erfülle die Voraussetzung einer Vereinigung, weil sie nach den bisherigen Ermittlungen einen auf Dauer angelegten Zusammenschluss von mehreren Hundert Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses – der Durchsetzung klimapolitischer Forderungen durch "zivilen Ungehorsam" – darstelle.
Auch sei der Zweck und die Tätigkeit der Vereinigung auf die Begehung von Straftaten gerichtet. Das LG hebt hervor, dass die Begehung von Straftaten nicht der Hauptzweck der Vereinigung sein müsse. Ausreichend sei es, wenn die Begehung von Straftaten einer von gegebenenfalls auch mehreren Zwecken sei. Das sei hier der Fall: Das Erscheinungsbild der "Letzten Generation" werde durch Nötigungen von Verkehrsteilnehmern insbesondere durch Festkleben oder (gemeinschädliche) Sachbeschädigungen jedenfalls wesentlich mitgeprägt.
Diese Taten begründen nach Ansicht des LG auch eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Das Gericht stellte darauf ab, dass der gesellschaftliche Diskurs durch illegitime Mittel verletzt werde, wenn eine Gruppierung versuche, sich – gegebenenfalls moralisch überhöhend – über die rechtsstaatliche Ordnung und die konsentierten Formen der demokratischen Abläufe zu stellen.
Straftaten seien kein Mittel der freiheitlichen, demokratischen, rechtsstaatlichen Diskussion, sondern Ausdruck krimineller Energie und als solche juristisch nüchtern zu bewerten, betont das LG. Moralische Argumente könnten jenseits der Gesetze eine Strafbarkeit weder begründen noch negieren. Bei seiner Würdigung stellte das LG neben den zahlreichen Sitzblockaden vor allem auf die Störung und Blockaden des Betriebs verschiedener Flughäfen und konzertierte Aktionen, um den Durchfluss verschiedener Ölpipelines zu unterbrechen, ab.
Die Beschlüsse seien auch verhältnismäßig gewesen. Insbesondere sei nicht von einer Geringfügigkeit der vorgeworfenen Straftaten auszugehen.
Soweit das LG eine Beschwerde teilweise für begründet erachtet hat, ging es um die Beschlagnahme einzelner Gegenstände, für die nach Auffassung des Gerichts ein Beschlagnahmeverbot bestand.
Gegen die Entscheidungen des LG gibt es kein weiteres Rechtsmittel.
Landgericht München I, Entscheidungen vom 16.11.2023