22.11.2023
Privat abgeschlepptes Kfz: Kosten der Verwahrung sind ersatzfähig
Zu den erstattungsfähigen Kosten für die Entfernung eines unbefugt auf einem Privatgrundstück abgestellten Fahrzeugs zählen grundsätzlich auch die Kosten, die im Zusammenhang mit der Verwahrung des Fahrzeugs im Anschluss an den Abschleppvorgang entstehen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.
Der Kläger ist Halter und Eigentümer eines Pkw, den er an seine Schwester verliehen hatte. Diese stellte das Fahrzeug unbefugt auf einem Privatgrundstück ab, das von der Streithelferin der Beklagten für die Grundstückseigentümerin verwaltet wird. Im Auftrag der Streithelferin schleppte die Beklagte, die ein Abschleppunternehmen betreibt, das Fahrzeug ab und verbrachte es auf ihr Firmengelände. Auf das nach fünf Tagen geäußerte Herausgabeverlangen des Klägers reagierte sie nicht.
Der Kläger hat von der Beklagten erstinstanzlich die Herausgabe des Fahrzeugs verlangt. Die Parteien haben den Rechtsstreit insoweit zwischenzeitlich übereinstimmend für erledigt erklärt; nicht mehr im Streit steht auch der mit der Widerklage verlangte Ersatz der Abschleppkosten. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Teil der Widerklage, mit dem die Beklagte den Kläger auf Ersatz der Verwahrkosten in Höhe von 4.935 Euro aus abgetretenem Recht der Streithelferin in Anspruch nimmt (15 Euro pro Tag der Verwahrung)
Das Landgericht hat der Widerklage insoweit stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat das landgerichtliche Urteil dahingehend abgeändert, dass die Beklagte Ersatz der Verwahrkosten nur in Höhe von 75 Euro (fünf Tage) verlangen kann. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen. Der Kläger verfolgt mit seiner Anschlussrevision die vollständige Abweisung der Widerklage.
Der BGH hat sowohl die Revision der Beklagten als auch die Anschlussrevision des Klägers zurückgewiesen. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagten stehe aus abgetretenem Recht der Streithelferin (nur) ein Anspruch auf Ersatz der in den ersten fünf Tagen der Verwahrung angefallenen Verwahrkosten zu, sei frei von Rechtsfehlern.
Zu den nach den Vorschriften der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – in Verbindung mit § 670 BGB) erstattungsfähigen Kosten für die Entfernung eines unbefugt auf einem Privatgrundstück abgestellten Fahrzeugs zählten auch die Kosten, die im Zusammenhang mit der anschließenden Verwahrung des Fahrzeugs entstehen. Diese Kosten dienten noch der Abwicklung des Abschleppvorgangs. Der Grundstücksbesitzer nehme mit dem Abschleppen ein Selbsthilferecht wahr, das einfach handhabbar sein muss und nicht mit Haftungsrisiken behaftet sein darf. Deshalb sei er nicht gehalten, einen Parkplatz im öffentlichen Parkraum ausfindig zu machen, sondern dürfe das Fahrzeug in sichere Verwahrung geben. Ein konkurrierender deliktischer Anspruch wegen der Verletzung eines Schutzgesetzes (§ 823 Absatz 2 BGB in Verbindung mit § 858 Absatz 1 BGB) reiche im Ergebnis nicht weiter.
Der Grundstücksbesitzer sei allerdings gehalten, den Halter des abgeschleppten Fahrzeugs unmittelbar im Anschluss über den Abschleppvorgang zu unterrichten. Eine Verletzung dieser Pflicht kann laut BGH zu einer Anspruchskürzung führen, wenn sie zur Folge hat, dass der Halter die Herausgabe seines Fahrzeugs – anders als es hier der Fall war – erst mit einer zeitlichen Verzögerung verlangen kann.
Der Erstattungsanspruch sei zudem zeitlich bis zu einem Herausgabeverlangen des Halters begrenzt. Nachfolgend anfallende Verwahrkosten dienten nicht mehr der Abwicklung des Abschleppvorgangs, sondern seien nur noch auf eine Herausgabeverweigerung und die damit bezweckte Durchsetzung des entstandenen Kostenerstattungsanspruchs wegen der Besitzstörung zurückzuführen. Da der Kläger hier nach fünf Tagen sein Fahrzeug von der Beklagten herausverlangt hat, habe die Beklagte aus abgetretenem Recht der Streithelferin einen Anspruch auf Ersatz der bis zu dem Herausgabeverlangen angefallenen Verwahrkosten in Höhe von insgesamt 75 Euro.
Auch für die Zeit nach dem Herausgabeverlangen komme grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz von weiteren Verwahrkosten nach § 304 BGB in Betracht, nämlich dann, wenn der das Fahrzeug herausverlangende Halter nicht bereit ist, im Gegenzug die für das Abschleppen und die bisherige Verwahrung angefallenen ortsüblichen Kosten zu zahlen und der Abschleppunternehmer daraufhin die Herausgabe des Fahrzeugs verweigert, sodass der Halter in Annahmeverzug gerät.
Die Widerklage der Beklagten blieb gleichwohl erfolglos, weil die Beklagte auf das Herausgabeverlangen des Klägers diesem die Herausgabe des Fahrzeugs nicht ordnungsgemäß in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hat.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.11.2023, V ZR 192/22