20.11.2023
Gleichstellungsbeauftragte: Kann auch nicht-binäre Person sein
Die Tätigkeit einer Gleichstellungsbeauftragten kann im Einzelfall auch durch eine Person ausgeübt werden, die weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet ist. Dies hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein entschieden.
Schreibt eine Gebietskörperschaft eine Stelle als Gleichstellungsbeauftragte nur für Frauen, aber nicht für Personen aus, die weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet sind (so genanntes drittes Geschlecht), könne dies im Einzelfall eine Entschädigung nach § 15 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) rechtfertigen, so das LAG weiter.
Die beklagte Gebietskörperschaft hatte die Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten ausgeschrieben und dabei ausschließlich die weibliche Form ohne weitere Zusätze wie "w/d" verwandt. Die klagende Partei, die von Geburt an weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann, hatte sich beworben, nahm an Vorstellungsgesprächen teil und erhielt am Ende die Stelle nicht.
Mit ihrer Klage verlangt die klagende Partei eine Entschädigung. Sie sei wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden. Diese Benachteiligung sei weder durch die Anforderung der konkreten Tätigkeit noch durch die Vorgaben des § 2 Absatz 3 Kreisordnung-SH gerechtfertigt. Die beklagte Gebietskörperschaft hält die klagende Partei für nicht benachteiligt. Jedenfalls sei eine unterschiedliche Behandlung gemäß § 8 Absatz 1 AGG zulässig, da die gesetzliche Grundlage in Schleswig-Holstein in § 2 Absatz 3 Kreisordnung-SH für kommunale Gleichstellungsbeauftragte nur Frauen vorsehe.
Vor dem LAG Schleswig-Holstein hatte die klagende Partei Erfolg. Die spezifisch nur für Frauen ausgeschriebene Stellenanzeige lasse eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten. Die beklagte Gebietskörperschaft habe die Vermutung nicht widerlegt, da die geschlechtsspezifische Besetzung zumindest Teil des Motivbündels für die Auswahlentscheidung war. Die Benachteiligung sei auch nicht nach § 8 AGG gerechtfertigt gewesen. Personen, die weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet sind, könnten nicht generell gemäß § 2 Absatz 3 Kreisordnung-SH vom Amt der Gleichstellungsbeauftragten ausgeschlossen werden. § 2 Absatz 3 Kreisordnung-SH sei verfassungskonform mit der Maßgabe auszulegen, dass jedenfalls neben Frauen auch diese Personen grundsätzlich Gleichstellungsbeauftragte sein können.
Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz (GG) rechtfertige zwar im binären Verhältnis zwischen Mann und Frau eine kompensatorische Förderung von Frauen, sei aber nicht geeignet, auch im Geschlechterverhältnis zwischen Frauen und Personen dritten Geschlechts den Frauen eine günstigere Behandlung zu verschaffen.
Ein Verstoß gegen Artikel 3 Absatz 2 GG könne nur durch zwingende sachliche Gründe oder im Wege einer Güterabwägung mit kollidierenden Gütern von Verfassungsrang gerechtfertigt werden. Solche Gründe seien bei der Ungleichbehandlung von Frauen und intergeschlechtlichen Personen für den Zugang zur Gleichstellungsbeauftragtenstelle durch einen pauschalen gesetzlichen Ausschluss wie in § 2 Absatz 3 Kreisordnung-SH nicht ersichtlich. Es komme auf die Umstände des Einzelfalls an unter Berücksichtigung sowohl des Stellenzuschnitts als auch der Eigenschaften und Erfahrungen der nicht-binären Personen.
Dass in § 2 Absatz 3 Kreisordnung-SH nur in der weiblichen Form formuliert wurde, sei allein dem Umstand geschuldet, dass seinerzeit im binären Verhältnis gedacht wurde und Männer jedenfalls nicht Gleichstellungsbeauftragte werden sollten. Dies bedeutet laut LAG aber nicht, dass der Gesetzgeber erkennbar zwingend mit dieser Formulierung andere als männliche Geschlechter von der Wahrnehmung des Amtes der Gleichstellungsbeauftragten ausschließen wollte.
Der konkrete Stellenzuschnitt für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten vermöge im Einzelfall eine Begrenzung auf Frauen zu rechtfertigen. Hierzu bedürfe es bezogen auf Personen des dritten Geschlechts eines direkten, objektiv durch eine entsprechende Analyse belegten und überprüfbaren Zusammenhangs zwischen der vom Arbeitgeber aufgestellten beruflichen Anforderung und der fraglichen Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte mit der Folge, dass allein das weibliche Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die Tätigkeit der Gleichstellungsbeauftragten ist.
Das LAG hielt ebenso wie das Arbeitsgericht eine Entschädigung in Höhe von 3.600 Euro für angemessen. Gegen das Urteil des LAG ist Revision beim Bundesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 8 AZR 214/23 eingelegt worden.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 14.06.2023, 4 Sa 123 öD/22, nicht rechtskräftig