09.11.2023
Table-Dance-Bar im selben Gebäude wie Bordell: Ist kein erlaubnispflichtiges Prostitutionsgewerbe
Eine im Erdgeschoss eines Gebäudes betriebene Table-Dance-Bar bedarf, anders als das darüber liegende Bordell, keiner Erlaubnis nach dem Prostituiertenschutzgesetz. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart entschieden.
Der Kläger betreibt seit 2012 als Pächter eine Gaststätte im Erdgeschoss eines Gebäudes und in den darüber liegenden Etagen ein Bordell. In der Gaststätte werden neben Getränken auch Table-Dance-Vorführungen angeboten. Gaststätte und Bordell verfügen über separate Eingänge. Zwischen beiden Betrieben besteht eine bauliche Verbindung dergestalt, dass die Gaststätte durch eine Verbindungstür vom Bordell aus betreten werden kann und umgekehrt.
Nach dem Prostituiertenschutzgesetz mussten Personen, die bereits vor dem 01.07.2017 ein Prostitutionsgewerbe betrieben haben, bis zum 31.12.2017 einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach dem Prostituiertenschutzgesetz vorlegen. Im Hinblick darauf beantragte der Kläger im September 2017 bei der Landeshauptstadt Stuttgart eine Erlaubnis für den Betrieb des Bordells sowie für die Bar eine Negativbescheinigung, dass es sich bei ihr nicht um eine Prostitutionsstätte handele.
Ausweislich des dazu eingereichten Betriebskonzepts seien in der Gaststätte selbst keine Prostituierten tätig. Prostituierte hielten sich dort als Gäste auf, um mit Kunden Anbahnungsgespräche über sexuelle Dienstleistungen zu führen. Die Prostituierten seien unter anderem Mieterinnen des über dem Betrieb liegenden Bordellbetriebs. Die Anbahnung zwischen Prostituierten und Kunden finde ausschließlich im Barbereich statt. Danach müssten diese in einen Prostitutionsbetrieb wechseln. Die Verbindungstür zwischen Gaststätte und Bordell sei während der Öffnungszeiten durch eine dort angebrachte Kordel versperrt.
Die Landeshauptstadt Stuttgart teilte dem Kläger mit, dass es sich bei der Bar um ein erlaubnispflichtiges Prostitutionsgewerbe handele. Hiergegen klagte der Pächter.
Mit Erfolg: Das VG Stuttgart entschied, dass es sich bei der Bar nicht um ein Prostitutionsgewerbe handelt. Die konkrete Ausgestaltung des Barbetriebs lasse nicht erkennen, dass der Kläger gewerbsmäßig Leistungen im Zusammenhang mit der Erbringung sexueller Dienstleistungen anbietet oder Räumlichkeiten hierfür bereitstellt, indem er in der Bar eine Prostitutionsstätte oder -vermittlung betreibt. Eine sexuelle Handlung liege nur bei einem vom Willen getragenen menschlichen Verhalten vor, das sich objektiv typischerweise als geschlechtliche Stimulation darstellt, und zwar unabhängig davon, ob es dabei zu körperlichen Berührungen oder zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs kommt. Gespräche über die Anbahnung sexueller Kontakte erfüllen diese Kriterien laut VG nicht.
Es stehe auch nicht fest, dass der Kläger eine andere Person zur Erbringung sexueller Dienstleistungen außerhalb der Gaststätte vermittelt, indem er Anbahnungsgespräche anbietet oder Kundenakquise betreibt. Die beklagte Landeshauptstadt habe im Rahmen ihrer durchgeführten Betriebskontrollen nicht feststellen können, dass Anbahnungsgespräche Teil des Geschäftsmodells des Klägers sind. Insbesondere habe sie weder Prostituierte in der Bar angetroffen noch hat sie Anbahnungssituationen aktenkundig machen können.
Soweit die Stadt festgestellt habe, dass es bei Tanzdarbietungen zu Berührungen zwischen Tänzerinnen und Gästen gekommen sei (so genannter Lap Dance), und auch ein "Private Dance" angeboten worden sei, sei dies nicht von der derzeitigen Betriebsform der Gaststätte und damit von den maßgeblichen Genehmigungen insbesondere nach Gaststätten- und Gewerberecht erfasst. Dem Kläger sei es unabhängig vom Bestehen einer prostitutionsschutzrechtlichen Erlaubnispflicht untersagt, Personendarbietungen anzubieten, bei denen es zu einer körperlichen Berührung auftretender Personen mit dem Publikum oder einer direkten Beteiligung des Publikums kommt, stellt das VG klar.
Es führt weiter aus, dass auch aus dem räumlich-organisatorischen Zusammenhang zwischen der Gaststätte und dem Bordell keine Erlaubnispflicht nach Prostituiertenschutzgesetz folge. Der Kläger betreibe Bar und Bordell unabhängig voneinander und habe diese jeweils für sich gewerberechtlich angemeldet. Allein aus der räumlichen Durchlässigkeit zwischen Bar und Bordell in Form einer Verbindungstür, der Nutzung der Toiletten der Gaststätte durch Mitarbeiter des Bordells sowie einer möglicherweise verbesserten Marktposition des Klägers lasse sich keine Erlaubnispflicht nach dem Prostituiertenschutzgesetz begründen.
Mit Einführung des Prostituiertenschutzgesetzes allgemein und insbesondere der Erlaubnispflicht für bestimmte Ausprägungen des Prostitutionsgewerbes sollen Sicherheit, Gesundheit und das Selbstbestimmungsrecht einschließlich der Arbeitsbedingungen von Prostituierten gestärkt, die gewerberechtliche Zuverlässigkeit von Betreibern vorab geprüft und unzuträgliche Auswüchse von Prostitutionsgewerbe, wie etwa Menschenhandel, Gewalt und Ausbeutung, unterbunden werden. Diese gesetzlichen Schutzzwecke würden durch den Betrieb der Gaststätte und die räumlichen Zusammenhänge zu dem Bordell nicht berührt.
Das VG hat die Berufung zugelassen. Der Frage, ob Anbahnungssituationen oder Table-Dance-Aufführungen unter den Begriff der sexuellen Handlung fallen, komme grundsätzliche Bedeutung zu.
Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 12.10.2023, 4 K 4593/21