09.11.2023
Investitionsprüfung: Erwerb eines Anteils an der PCK Raffinerie in Schwedt gilt als freigegeben
Der Erwerb eines 37,5-prozentigen Anteils an der PCK Raffinerie GmbH in Schwedt durch eine österreichische GmbH gilt nach den Vorschriften der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) als freigegeben. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden.
Die Klägerin, eine österreichische GmbH, hatte im Juli 2021 von der S. GmbH 37,5 Prozent der Stimmrechtsanteile an der PCK erworben. Kurz darauf meldete sie das Vorhaben zum Zweck der Investitionsprüfung beim (damaligen) Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, das ein Prüfverfahren eröffnete. Ein Unternehmen, das ebenfalls Mitgesellschafter der Raffinerie ist, machte hierauf von dem ihm eingeräumten Vorkaufsrecht Gebrauch. In der Folge erklärte die Klägerin das Investitionsprüfverfahren daher für gegenstandslos.
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine meldete die Klägerin das Vorhaben unter dem 14.06.2022 "erneut". Da die S. GmbH nunmehr unter Berufung auf den Eintritt des vereinbarten "Long-Stop-Dates" den Vertrag mit der Klägerin kündigte, leitete diese zur Frage des Fortbestandes des Vertrages ein Schiedsgerichtsverfahren ein, das noch nicht beendet ist. Unter dem 14.10.2022 stellte das (jetzige) Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) das Investitionsprüfverfahren der Klägerin ein. Begründung: Nach der Ausübung des Vorkaufsrechts und der Kündigung des Vertrages fehle es an einem Erwerb als Voraussetzung für die Durchführung eines solchen Verfahrens.
Hiergegen klagte die Klägerin im November 2022. Sie wendet sich gegen die Einstellungsentscheidung und begehrt zugleich die gerichtliche Feststellung, dass ihr Erwerb der Stimmrechtsanteile infolge der (erneuten) Meldung des Vorhabens als fiktiv freigegeben nach den Vorschriften der AWV gilt.
Die Klage hatte überwiegend Erfolg. Die vom BMWK vorgenommene Einstellung des Verfahrens mittels Verwaltungsakts sei rechtswidrig gewesen, weil es hierfür an der erforderlichen Rechtsgrundlage fehle, so das VG Berlin. Ein Verwaltungsverfahren, das auf Antrag eines Beteiligten eingeleitet worden sei, dürfe grundsätzlich nur mit Zustimmung des Antragstellers eingestellt werden. Dieser Grundsatz sei auf die hier vorliegende Konstellation der bloßen Meldung eines Vorhabens übertragbar.
Weder in der AWV noch im Verwaltungsverfahrensgesetz gebe es eine rechtliche Grundlage, um das Verfahren – im Ergebnis zulasten des Anmelders einer meldepflichtigen Transaktion – durch Verfahrenseinstellung zu beenden. Auch der Antrag auf Feststellung der fiktiven Freigabe des Anteilserwerbs sei begründet. Das BMWK habe das Verfahren nach der zweiten Meldung nicht – wie erforderlich – eröffnet. Die zweimonatige Frist zur erneuten Eröffnung des Prüfverfahrens sei daher bereits Mitte August 2022 verstrichen gewesen.
In Folge gelte das Rechtsgeschäft fiktiv als genehmigt. Auch wenn die Realisierung des Erwerbs unsicher sei, hindere dies den Fiktionseintritt nicht. Dies kommt laut VG allenfalls in Betracht, wenn der Kaufvertrag offenkundig nicht mehr verwirklicht werden kann. Angesichts des noch anhängigen Schiedsverfahrens lasse sich eine solche Wertung hier aber nicht treffen; eine vollumfängliche zivilrechtliche Prüfung könne und dürfe die Behörde selbst nicht vornehmen. Dass die Fiktion am Ende gegebenenfalls "ins Leere gehen" könne, weil das Schiedsgericht den Vertrag als beendet ansehe, sei im Gesetz angelegt.
Das VG hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Berufung gegen das Urteil beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg sowie die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 07.07.2023, VG 4 K 536/22, nicht rechtskräftig