06.11.2023
Säumniszuschläge: Sind verfassungsgemäß und unionsrechtsmäßig
Nach den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23.08.2022 (VII R 21/21) und vom 15.11.2022 (VII R 55/20) bestehen bei summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel mehr an der Verfassungsmäßigkeit verwirkter Säumniszuschläge, auch soweit diese nach dem 31.12.2018 entstanden sind. Ernstliche Zweifel an der Höhe der Säumniszuschläge ergeben sich laut BFH auch nicht aus den unionsrechtlichen Grundsätzen des Äquivalenz-, Effizienz-, Verhältnismäßigkeits- und Neutralitätsprinzips.
In den beiden genannten BFH-Entscheidungen begründe der BFH die Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen nach § 240 Abgabenordnung (AO) insbesondere damit, dass die Abschöpfung von Liquiditätsvorteilen nicht Haupt-, sondern nur Nebenzweck sei und sich beim Säumniszuschlag kein konkreter Anteil bestimmen lasse, der als Zins behandelt werden könne. Lasse sich § 240 AO kein fester und typisierender Zinssatz entnehmen und komme der Norm für die nicht rechtzeitige Leistung der geschuldeten Steuern lediglich als Nebenzweck auch eine Zinsfunktion zu, fehle es jedenfalls an einer festen Größe eines Zinssatzes, die auf ihre Angemessenheit hin überprüft werden könne. Somit scheide eine anteilige Behandlung des Säumniszuschlags als Zins aus. Auf dieser Grundlage könne sich eine Verfassungswidrigkeit nur aus der Höhe von einem Prozent für jeden angefangenen Monat der Säumnis ergeben. Diese Höhe sei allerdings bereits zur Erzwingung der rechtzeitigen Zahlung der fälligen Steuer und zur Abgeltung des Verwaltungsaufwands verhältnismäßig und daher verfassungsrechtlich unbedenklich. Unbilligen Härten im Einzelfall könne durch einen (Teil-)Erlass nach § 227 AO begegnet werden, heiße es in den beiden BFH-Urteilen.
Dieser Auffassung schließe sich auch der Senat im hiesigen Verfahren an, in dem – anders als in den beiden BFH-Entscheidungen VII R 21/21 und VII R 55/20 – auch um Säumniszuschläge für Entstehungszeiträume nach dem 31.12.2018 geht. Die vorstehende Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit durch den VII. Senat des BFH beanspruche Gültigkeit auch für diese Entstehungszeiträume.
Auch aus unionsrechtlichen Grundsätzen (Äquivalenz-, Effizienz-, Verhältnismäßigkeits- und Neutralitätsprinzip) ergäben sich keine weitergehenden Zweifel an der gesetzlichen Höhe der Säumniszuschläge. Verstöße gegen das Äquivalenz-, Effizienz- und Neutralitätsprinzip sind nach Ansicht des BFH nicht ersichtlich. Ein Verstoß gegen das unionsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip scheide jedenfalls unter Berücksichtigung von § 227 AO aus.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16.10.2023, V B 49/22 (AdV)