06.11.2023
Zuzahlungen zu Krankenkassenleistungen: Belastungsgrenze ist überhöht
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben, die sich gegen eine sozialgerichtliche Entscheidung über die Höhe der Belastungsgrenze für Zuzahlungen zu Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung richtet. Die Sache wird an das Sozialgericht (SG) zurückverwiesen.
Gesetzlich Krankenversicherte müssten zu bestimmten Krankenkassenleistungen Zuzahlungen erbringen, erläutern die Verfassungsrichter. Diese Zuzahlungen seien begrenzt durch eine Belastungsgrenze von regelmäßig zwei Prozent des jährlichen Bruttoeinkommens. Für Bezieher bestimmter Sozialleistungen werde die Belastungsgrenze nach der Regelbedarfsstufe 1 des Sozialgesetzbuchs XII bestimmt, sodass ihnen geringere Zuzahlungen zugemutet werden.
Die gesetzlich versicherte Beschwerdeführerin lebt in einem Pflegeheim. Mit Ausnahme eines Betrags von 143,92 Euro setzte sie ihre gesamte Altersrente für den Eigenanteil an den Heimkosten ein. Auf Antrag der Beschwerdeführerin setzte ihre Krankenkasse die Belastungsgrenze für Zuzahlungen von 132,04 Euro für das Jahr 2022 fest, wobei sie ihre, im Vergleich mit der Regelbedarfsstufe 1 höheren Renteneinkünfte heranzog.
Die hiergegen von der Beschwerdeführerin erhobene Klage wies das SG zurück. Zur Begründung führte es aus, § 62 Abs. 2 Satz 5 SGB V, wonach die Belastungsgrenze anhand der Regelbedarfsstufe 1 zu ermitteln ist, sei nicht anwendbar. Erforderlich wäre eine Kostenübernahme für Unterkunft und Verpflegung gemäß des 3. Kapitels des SGB XII. Dies sei nicht der Fall.
Das BVerfG entschied, dass der angegriffene Gerichtsbescheid des SG Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz in seiner Ausprägung als Willkürverbot verletzt. Die Annahme des SG, eine Kostenübernahme für die Unterbringung in einem Heim im Sinne des § 62 Absatz 2 Satz 5 Nr. 2 SGB V setze die Kostenübernahme für Unterkunft und Verpflegung voraus, die nach dem 3. Kapitel des SGB XII erfolge, entbehrt laut BVerfG jeder nachvollziehbaren Grundlage.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 22.09.2023, 1 BvR 422/23