31.10.2023
Massenverfahren: Leitentscheidungsverfahren beim BGH sollen Zivilgerichte entlasten
Der Bundesgerichtshof (BGH) soll künftig in bestimmten Fällen ein Leitentscheidungsverfahren durchführen können, um Zivilgerichte in Massenverfahren zu entlasten. Dazu hat die Bundesregierung den "Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Leitentscheidungsverfahrens beim Bundesgerichtshof" (BT-Drs. 20/8762) vorgelegt.
Das Verfahren soll in den Fällen greifen, in denen eine Revision am BGH zurückgezogen oder ein Vergleich erzielt wird und somit eine höchstrichterliche Entscheidung ausbleibt. "Ohne eine höchstrichterliche Klärung bleiben die Instanzgerichte jedoch immer wieder mit neuen Verfahren zu gleichgelagerten Sachverhalten belastet", führt die Bundesregierung an.
Wie bisher soll es dem BGH möglich sein, aus den dem Gericht vorgelegten Verfahren ein geeignetes Verfahren auszuwählen, das ein möglichst breites Spektrum an offenen Rechtsfragen bietet. Anders als bisher soll er über die Rechtsfragen in Form der Leitentscheidung auch dann entscheiden, "wenn die Parteien die Revision zurücknehmen oder sich das Revisionsverfahren auf andere Weise erledigt."
"Die Leitentscheidung entfaltet dabei keinerlei formale Bindungswirkung und hat auch keine Auswirkungen auf das der Leitentscheidung zugrunde liegende konkrete Revisionsverfahren, dient jedoch den Instanzgerichten und der Öffentlichkeit als Richtschnur und Orientierung dafür, wie die Entscheidung der Rechtsfragen gelautet hätte", führt die Bundesregierung aus. Sie erwartet, dass die Leitentscheidung für "Rechtssicherheit bei Betroffenen und Rechtsanwender" sorgen und dazu beitragen wird, die Gerichte von weiteren Klagen zu entlasten.
Der Bundesrat steht dem Vorhaben skeptisch gegenüber. Auch er sieht zwar die Zivilgerichte durch Massenverfahren belastet und begrüßt vor diesem Hintergrund "den Versuch des Gesetzentwurfes, solche Verfahren effizienter zu erledigen." Der Bundesrat erwartet allerdings, dass die vorgeschlagenen Regelungen "in der Praxis allenfalls geringe Wirkung entfalten werden" und daher nur einen Anfang darstellen könnten. Als Problem betrachtet die Länderkammer den Umstand, dass der Rechtsstreit "erst den gewöhnlichen und damit zeitaufwendigen Instanzenzug durchlaufen muss". Aus Sicht der Länder sollten maßgebliche Rechtsfragen schon aus der ersten Instanz dem BGH vorgelegt werden. Ferner sei ein Gesamtkonzept zum Umgang mit Massenverfahren notwendig, das etwa auch eine mögliche Konzentration der Beweisaufnahme umfassen solle.
In ihrer Gegenäußerung weist die Bundesregierung darauf hin, dass der Entwurf "anderweitige Bemühungen um eine Entlastung der Zivilgerichte in den so genannten Massenverfahren" ergänze. So enthalte das bereits beschlossene Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz unter anderem Regelungen zur beschleunigten Beweisaufnahme. Weitere Anregungen des Bundesrats will die Bundesregierung prüfen und sich mit den Ländern dazu in der entsprechenden Bund-Länder-Arbeitsgruppe austauschen.
Deutscher Bundestag, PM vom 27.10.2023