24.10.2023
Reisekosten: Aufsuchen einer Bildungseinrichtung "außerhalb eines Dienstverhältnisses"
Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat zu der Frage Stellung genommen, wann eine Bildungseinrichtung "außerhalb eines Dienstverhältnisses" im Sinne von § 9 Absatz 4 Satz 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aufgesucht wird.
Wenn dies der Fall ist, gilt sie nach der genannten Vorschrift als so genannte erste Tätigkeitsstätte. Dies wiederum hat Folgen für den Werbungskostenabzug von Arbeitnehmern: Für die Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte kann einerseits nur die Entfernungspauschale anstatt der regelmäßig höheren tatsächlichen Fahrtkosten geltend gemacht werden (§ 9 Absatz 1 Satz 3 Nr. 4, 4a EStG). Darüber hinaus kommt ein Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen nicht in Betracht, weil es sich beim Aufsuchen der ersten Tätigkeitsstätte nicht um eine auswärtige berufliche Tätigkeit im Sinne des § 9 Absatz 4a Satz 2 EStG handelt.
Der Kläger besuchte in den Streitjahren einen in mehrere Teile untergliederten Meistervorbereitungskurs und legte sodann erfolgreich die Meisterprüfung ab. Die damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen trug er ganz überwiegend selbst. Zeitlich konnte er an den Kursen insbesondere deswegen teilnehmen, weil er Urlaub oder unbezahlten Urlaub in Anspruch nahm, erkrankt war, Überstunden abbaute oder in geringem Umfang Bildungsurlaub nehmen konnte. Das Zutun des Arbeitgebers beschränkte sich darauf, dass er einerseits den Impuls für die Teilnahme an dem Vorbereitungskurs gegeben hatte und andererseits dem Kläger Büroräumlichkeiten und Materialien zur Verfügung stellte.
Das FG war unter diesen Voraussetzungen der Auffassung, der – unstreitig in Vollzeit durchgeführte – Meistervorbereitungskurs sei "außerhalb des Dienstverhältnisses" besucht worden. Es reiche zunächst nicht aus, dass der Kläger neben der Bildungsmaßnahme weiterhin in einem Arbeitsverhältnis stand. Vielmehr sei in Entsprechung zur Gesetzesbegründung zum "neuen" – seit 2014 geltenden – Reisekostenrecht maßgeblich auf das Direktionsrecht des Arbeitgebers abzustellen. Dieser habe den Kläger im Streitfall nicht konkret angewiesen, den Vorbereitungskurs zu absolvieren, sondern lediglich sein dahingehendes Interesse kundgetan. Ob und unter welchen Umständen der Kläger an dem Kurs teilnehmen wolle, sei aber diesem überlassen gewesen.
Es seien auch keine anderweitigen Gründe ersichtlich, vom Besuch des Meistervorbereitungskurses "innerhalb des Dienstverhältnisses" auszugehen. Der Arbeitgeber habe den Kläger gerade nicht von der Arbeitsleistung für die Zeit der Weiterbildung freigestellt. Vielmehr habe der Kläger Urlaub nehmen und Überstunden abbauen müssen. Auch in finanzieller Hinsicht habe sich der Arbeitgeber allenfalls unwesentlich beteiligt. Letztlich sei zu berücksichtigen, dass die Erlangung des Meistertitels vorrangig dem Kläger zugutekomme, der sich damit beruflich anderweitig hätte orientieren können. Im Ergebnis kam laut FG daher weder ein Werbungskostenabzug für die tatsächlichen Fahrtkosten noch für Verpflegungsmehraufwendungen in Betracht.
Gleichwohl hatte die Klage teilweise Erfolg. Hintergrund war insofern die zeitlich fehlerhafte Zuordnung eines ihm gewährten Zuschusses für den Meistervorbereitungskurs. Diesen hatte das Finanzamt in einem Jahr vollständig von den anzuerkennenden Werbungskosten abgezogen. Dem trat das FG entgegen. Vielmehr sei der Zuschuss entsprechend dem wirtschaftlichen Zusammenhang aufzuteilen. Da die für den Zuschuss maßgeblichen Kursgebühren in unterschiedlichen Jahren angefallen seien, müsse dies auch für den Zuschuss gelten. Das Gericht bezog sich insofern auf § 3c Absatz 1 EStG. Die Vorschrift enthält eine Regelung für die Abziehbarkeit von mit steuerfreien Einnahmen – im Streitfall: dem Zuschuss – in Zusammenhang stehenden Ausgaben wie Werbungskosten – im Streitfall: den Kursgebühren.
Abschließend ließ das FG die Revision zum Bundesfinanzhof zu. Es liege keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage vor, wann eine Bildungseinrichtung innerhalb beziehungsweise außerhalb des Dienstverhältnisses aufgesucht werde.
Finanzgericht Niedersachsen, Urteil vom 20.09.2023, 4 K 20/23