19.10.2023
Wasseranschluss: Vertrauensschutz auch bei Umstellung auf Benutzungsgebühren zu berücksichtigen
Wechselt ein Einrichtungsträger zur Deckung des Herstellungsaufwands von einer Beitragsfinanzierung auf eine reine Gebührenfinanzierung mit unterschiedlichen Gebühren für Beitragszahler und -nichtzahler ("gespaltene" Gebührensätze), darf ein Herstellungsaufwand, für den hypothetische Festsetzungsverjährung eingetreten ist, aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht über Benutzungsgebühren gedeckt werden. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden.
Der Antragsteller wendet sich mit seinem Normenkontrollantrag gegen die Schmutzwassergebührensatzung des Antragsgegners. Letzterer erhob zunächst zur Deckung des Aufwands für die Herstellung der öffentlichen Schmutzwasserbeseitigungsanlage Anschlussbeiträge. 2015 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Erhebung von Anschlussbeiträgen in Fällen, in denen solche Beiträge nach der früheren Rechtslage in Brandenburg wegen hypothetischer Festsetzungsverjährung nicht mehr erhoben werden konnten, gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstößt. Daraufhin hob der Antragsgegner noch nicht bestandskräftige Anschlussbeitragsbescheide auf und zahlte die entrichteten Beiträge zurück.
Außerdem änderte er seine Schmutzwassergebührensatzung und führte "gespaltene" Gebührensätze ein. Diese betrugen 2017 und 2018 für Grundstücke, für die Anschlussbeiträge gezahlt worden waren, 3,30 Euro pro Kubikmeter Schmutzwasser und für Grundstücke, für die keine Anschlussbeiträge gezahlt worden waren, 4,35 Euro pro Kubikmeter Schmutzwasser. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) lehnte den Normenkontrollantrag ab. Es vertrat die Ansicht, der Schutz des Vertrauens, nicht mehr zu Anschlussbeiträgen herangezogen zu werden, erstrecke sich nicht auf Benutzungsgebühren.
Das BVerwG ist dem nicht gefolgt. Es hat den angefochtenen Beschluss aufgehoben und die Sache an das OVG zurückverwiesen. Das Grundgesetz schütze das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechtspositionen. Geschützt sei auch das Vertrauen, nach Eintritt der hypothetischen Festsetzungsverjährung nicht mehr zu einem Herstellungsbeitrag herangezogen zu werden. Nach brandenburgischem Landesrecht dürfe ein und derselbe Herstellungsaufwand nicht durch Anschlussbeiträge und zusätzlich über Benutzungsgebühren auf die Grundstückseigentümer umgelegt werden. Wechselt der Einrichtungsträger sein Satzungsrecht und gehe zu einer reinen Gebührenfinanzierung mit "gespaltenen" Gebührensätzen über, könnten die von der Festsetzungsverjährung Begünstigten darauf vertrauen, auch über Benutzungsgebühren nicht mehr zur Deckung des beitragsfinanzierten Herstellungsaufwands herangezogen zu werden. Dem stehe das Haushaltsinteresse des Einrichtungsträgers nicht entgegen.
Das BVerwG konnte nicht in der Sache selbst entscheiden, weil es noch an Feststellungen im Zusammenhang mit der hypothetischen Festsetzungsverjährung fehlte.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17.10.2023, BVerwG 9 CN 3.22