21.09.2023
Bandidos: Bleiben verboten
Das im Juli 2021 ausgesprochene vereinsrechtliche Verbot der "Bandidos Motorcycle Club Federation West Central" ihrer örtlichen Mitglieds-Chapter ist rechtmäßig. Jedoch erstreckt es sich nicht auf drei Nachfolgeorganisationen, wie das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden hat.
Der weltweit agierende Bandidos Motorcycle Club versteht sich als so genannte Outlaw Motorcycle Gang. Er ist europaweit als Drei-Ebenen-Verband organisiert. An der Spitze steht die "Bandidos MC Federation Europe". Deren Mitglieder sind die regionalen Federations, in denen die örtlichen Chapter zusammengeschlossen sind.
Ab 2018 kam es in Nordrhein-Westfalen – vor allem in Hagen und Köln – zu schweren Straftaten, zum Teil mit Toten und Schwerverletzten, in deren Folge gegen Funktionäre der Federation sowie gegen Angehörige ihrer Mitglieds-Chapter Strafverfahren geführt wurden. Am 18.04.2021 beschloss die Mitgliederversammlung der Federation deren Auflösung. Ende Mai beziehungsweise Anfang Juni 2021 wurden die Federations Mid, North und South Region gegründet, denen jeweils ein Drittel der Mitglieds-Chapter der verbotenen Federation zugeordnet wurde.
Am 07.07.2021 verbot das Bundesinnenministerium die Federation mitsamt 38 benannten Mitglieds-Chaptern als gebietlichen Teilorganisationen, weil sie mit ihren Zwecken und Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwiderlaufe. Die Federation vertrete als Teil des Bandidos MC einen Gebiets- und Machtanspruch im Rockermilieu, der zu bewaffneten und brutalen Auseinandersetzungen mit konkurrierenden Gruppen – insbesondere mit dem Hells Angels MC in Köln und dem Freeway Riders MC in Hagen – geführt habe. Ihr seien nicht nur die von ihren eigenen Funktionären, sondern auch die von Angehörigen ihrer Mitglieds-Chapter begangenen Straftaten zuzurechnen. Die Federation habe trotz der von ihr beschlossenen Selbstauflösung als verbotsfähiger Verein jedenfalls in Gestalt der Federations Mid, North und South Region als identitätswahrender Nachfolgeorganisationen weiterexistiert.
Gegen die Verbotsverfügung haben neben der Federation 157 weitere Kläger Klage erhoben, nämlich 34 Mitglieds-Chapter der Federation, 120 Einzelkläger als Funktionäre der Federation oder Angehörige der Chapter sowie die Federations Mid, North und South Region.
Das BVerwG hat festgestellt, dass es sich bei den Federations Mid, North und South Region nicht um identitätswahrende Nachfolgeorganisationen der verbotenen Federation handelt. Hierfür wäre eine offensichtliche Identität in gebietlicher, organisatorischer und personeller Hinsicht erforderlich, die nicht bestehe.
Die Anfechtungsklagen der verbotenen Federation und der übrigen Kläger hat es abgewiesen. Die Federation habe bei Erlass der Verbotsverfügung ungeachtet des von der Mitgliederversammlung am 18.04.2021 gefassten Auflösungsbeschlusses noch einen verbotsfähigen Verein dargestellt, weil ihre Liquidation in vermögensrechtlicher Hinsicht noch nicht abgeschlossen war. Die Federation habe den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit verwirklicht. Nach den tatsächlichen Feststellungen, die das Landgericht Hagen in einem strafgerichtlichen Verfahren gegen führende Funktionäre dieser Federation in überzeugender Weise getroffen habe, seien die kriminalitätsfördernden Strukturen der Federation in die Realität umgesetzt worden. Dies sei durch die seitens der Führung der Federation in die Wege geleitete Beschaffung von illegalen Waffen sowie durch die Auszeichnung von Chapter-Mitgliedern geschehen, die vereinsbezogene Straftaten begangen haben.
Darüber hinaus seien der Federation die von den Angehörigen ihrer Mitglieds-Chapter begangenen Straftaten zuzurechnen, weil es sich bei den Chaptern um gebietliche Teilorganisationen der Federation handelt, die gemäß § 3 Absatz 3 Satz 1 Vereinsgesetz als bloße Gliederungen des Gesamtvereins zu behandeln sind. Die Strafgesetzwidrigkeit präge die Federation insgesamt, sodass das Verbot verhältnismäßig sei. Für die Verbotsbehörde habe auch kein Anlass bestanden, diejenigen Mitglieds-Chapter von dem Verbot auszunehmen, aus denen heraus keine vereinsbezogenen Straftaten begangen worden sind. Denn diese hätten sich nicht in beachtlicher Weise von den strafgesetzwidrigen Zwecken distanziert.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19.09.2023, BVerwG 6 A 12.21